Pressemitteilung vom 14. Juli 2022 

Der Fachkräftemangel ist deutschlandweit im Tierschutz ein ernstzunehmendes Problem. Auch dem Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV) fehlt es an Arbeitskräften – besonders für Spät- und Nachtdienste finden sich keine Bewerberinnen oder Bewerber. Können diese Schichten nicht besetzt werden, müssen beispielsweise Jungtiere, sofern möglich, von Mitarbeitenden zuhause oder in Pflegestellen versorgt werden. Ist der Nachtschalter nicht besetzt, kann der HTV zu dieser Zeit keine Notfälle mehr aufnehmen. Zusätzlich sorgt die aktuelle Corona-Welle für zahlreiche krankheitsbedingte Ausfälle beim Tierpflegepersonal. HTV-Geschäftsführerin Petra Hoop befürchtet, dass erneute kurzzeitige Aufnahmestopps verhängt werden müssen, wenn es nicht gelingt, neue Mitarbeitende zu gewinnen.

Akuter Personalmangel im Spät- und Nachtdienst

Der Personalmangel im HTV ist ein akutes Problem im Tierheimbetrieb. „Uns fehlen einfach die Leute und wir können sie nicht herzaubern. Und ja, auch wenn wir es nicht wollen und mit allen Mitteln dagegen kämpfen, haben wir Sorge, unseren Tieren bald nicht mehr gerecht werden zu können und darüber hinaus bald gewisse Tiere nicht mehr aufnehmen zu können“, so Geschäftsführerin Petra Hoop. Besonders pflege- und zeitintensiv ist beispielsweise die Handaufzucht von jungen Wildtieren.

Der Personalmangel machte sich bereits bemerkbar: Es kam zu einem zeitweise unbesetzten Nachtschalter, da Nachtdienste plötzlich erkrankten und Ersatz fehlte. Dieser bedient nachts das Nottelefon und koordiniert Einsätze des Tierrettungsdienstes. Außerdem übernimmt er die Erstversorgung von Tieren, wenn diese z. B. als Fundtiere nachts zum Tierheim gebracht werden. Sind die Schichten nicht durchgehend besetzt, müssen die Fundtiere zu Polizeistationen gebracht werden, verletzte Fundtiere werden von den Nottierärzten aufgenommen.

Im Spätdienst in der Jungtieraufzucht darf dieses Szenario auf keinen Fall eintreten, denn in dieser Schicht wird sich primär um die Fortführung der Aufzucht von jungen Vögeln und Säugern, wie z. B. Eichhörnchen, Wildkaninchen oder Igeln gekümmert, welche einem strengen Zeitplan folgt, denn durchgehend muss z. B. Milch angerührt und gefüttert werden: Junge Säugetiere brauchen teilweise stündlich Milch und auch Jungvögel müssen teilweise alle 30 Minuten gefüttert werden. Auch Vorstandsmitglieder sowie die leitende Tierärztin Dr. Urte Inkmann übernahmen Einsätze, um die fehlenden Zeiten auszugleichen. „Das soll und kann aber selbstverständlich keine Dauerlösung sein“, betont Petra Hoop.

„Auch in der Tierpflege treffen uns die coronabedingten Fehlzeiten in Kombination mit der sowieso schon niedrigen Personaldichte hart. An erster Stelle müssen die Tiere versorgt und medizinisch behandelt sowie die Unterkünfte gereinigt werden. Aber alles darüber hinaus, z. B. Streicheleinheiten, Beschäftigung und Training müssen leider wegfallen, wenn helfende Hände fehlen“, erklärt Hoop. Ehrenamtlich können diese Aufgaben nicht vollständig aufgefangen werden.

Veränderte Anforderungen der Generationen Y und Z fordern auch den HTV heraus

„Auch wir merken, dass für die jungen Generationen eine traditionelle 40-Stunden-Woche oftmals nicht mehr in Frage kommt“, sagt Hoop. „Gefordert werden Teilzeit-Modelle, flexible Arbeitszeiten und faire Gehälter, die auf die derzeitige wirtschaftliche Lage reagieren. Wir sehen diese Forderungen als Herausforderungen, denen wir uns anpassen müssen, wenn wir als Verein zukunftsfähig bleiben wollen“, sagt Petra Hoop, die seit Anfang 2021 als Geschäftsführerin des HTV tätig ist. Seitdem wurden bereits einige veraltete Entlohnungssysteme und Strukturen überholt. Insbesondere eine für gemeinnützige Vereine attraktive Vergütung für die Tierpflege, die die hohe Verantwortung und Leistung auch wertschätzt, zählt zu den bisherigen Errungenschaften, die Petra Hoop umsetzte. „Wir bieten einen spannenden Arbeitsplatz in der Tierpflege – Mitarbeitende schätzen ganz besonders die Artenvielfalt, die wir hier im HTV unterbringen. Ich freue mich sehr, dass wir mit einer neuen Betriebsvereinbarung, die ab Juli 2022 greift, die teilweise sehr herausfordernden Tätigkeiten gerechter entlohnen werden“, so Hoop.

Personalmangel bei gleichbleibend hohen Tierzahlen

Die Lage für Tierheime deutschlandweit ist keine gute: Vermittlungen nehmen ab, während Abgaben und Aussetzungen weiter zunehmen – vielen Tierheimen droht die Überfüllung. Der HTV hat akute Platzprobleme, weil die Unterbringungsmöglichkeiten im gesperrten, sanierungsbedürftigen Alten Katzenhaus fehlen. In der aktuellen Situation mit einer schwierigen politischen Lage, die viele Unsicherheiten auch finanzieller Natur mit sich bringt, ist für viele Menschen die Adoption eines Tieres nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass jetzt mit dem Wegfall der einschränkenden Corona-Maßnahmen viele Menschen ihre in der Pandemie voreilig angeschafften Tiere wieder abgeben müssen oder wollen – entweder, weil sie nicht mehr in die Lebensrealität passen oder schlichtweg, weil sie Probleme machen. „Ich bekomme fast jeden Tag Anrufe von verzweifelten Nachbarn, die berichten, dass der Nachbarshund stundenlang jault und sie nicht wissen, was sie tun können. Das sind die Corona-Hunde, die daran gewöhnt sind, dass Frauchen oder Herrchen im Homeoffice arbeitet. Jetzt müssen aber plötzlich alle wieder ins Büro – und der Hund weiß nicht, was los ist“, berichtet Nicole Hartmann, die als Tierschutzberaterin beim HTV unter anderem für Fragen rund um das Thema Tierschutz und -haltung herangezogen werden kann. Auch Aussetzungen sind im Tierheimalltag keine Seltenheit.

Der HTV sucht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Herz, die Lust haben, Großartiges für Tiere zu leisten – und hofft, die freien Stellen so schnell wie möglich besetzen zu können.