Neben ihrer Arbeit bei uns im Tierheim nimmt Tierpflegerin Kerstin Schulz Schützlinge in Pflege – und teilt dann auch schon mal ihr Wohnzimmer mit Ziegensittichen. In einem sehr informativen und launigen Artikel zur Haltung dieser Vögel, der im WP Magazin veröffentlicht wurde, schildert sie ihre Zeit mit Susi, Pepi, Gerti und Käpt'n – die alle das PBFD-Virus trugen und deshalb schlechtere Vermittlungschancen hatten.

Ziegensittiche allgemein

Ziegensittiche haben ihr  Ursprungsgebiet in Neuseeland und Umgebung. Hierbei sind sie bezüglich ihres Habitats eher Opportunisten und finden sich sowohl in Waldgebieten, als auch im offenen Grasland oder an den Küsten. Ziegensittiche gehören zu den sogenannten Laufsittichen. Sie suchen ihr Futter oft auf dem Boden. Dabei scharren sie wie Hühner mit den Füßen, um an Wurzeln und Knollen zu kommen, die in der Wildnis als Nahrung dienen. Aber auch Pflanzensamen, Obst, Blüten und Knospen werden nicht verschmäht. An den Küsten wurden Ziegensittiche sogar dabei beobachtet, wie sie Seetang und Muscheln fraßen. Ziegensittiche leben paarweise oder in kleinen Gruppen, wobei die einzelnen Paare aber durchaus einen Individualraum für sich einfordern.

Pro Contra
  • verhältnismäßig leise und daher gut für Wohnungen mit enger Nachbarschaft geeignet
  • sehr zerstörungsfreudig
  • sehr neugierig und aktiv
  • sehr aktiv, daher viel Platz erforderlich, Käfighaltung nicht artgerecht
  • sind auch als Paar gut zu halten, keine großen Gruppen erforderlich
 
  • keine Futterspezialisten, die Nahrung lässt sich leicht im Supermarkt kaufen und in der Natur sammeln

 

Pepi

Wie ich zu Ziegensittichen kam

Als Tierpflegerin im Tierheim ist man mit fast allen Tierarten konfrontiert, die Menschen als Haustiere halten. Bei uns im Hamburger Tierschutzverein haben wir relativ viel Platz, sodass wir dort auf die ganze Bandbreite an Haustieren treffen – von Schwein und Schaf bis hin zur kleinsten Maus. Eines Tages wurden zwei Ziegensittiche als „gefunden“ abgegeben. Es handelte sich um zwei gelbe Hennen, die eine trug sogar einen geschlossenen Ring, woran wir ihr Alter von damals 11 Jahren ermitteln konnten. Die andere trug keine Kennzeichnung. Bei beiden Tieren war das Federkleid recht zerzaust und struppig, so dass ein Virentest gemacht wurde. Das Ergebnis: beide Hennen waren Träger von PBFD. Da solche Tiere eher schlechte Vermittlungschancen haben und sehr lange im Tierheim sitzen würden, nahm ich sie mit nach Hause um dort als Pflegestelle zu fungieren. Ich habe zwar nur eine Zweizimmerwohnung, aber ein relativ großes Wohnzimmer, in dem die Vögel in ihrer Voliere untergebracht wurden. Dadurch, dass ich im späteren Verlauf nur PBFD tragende Ziegensittiche aus unserem Tierheim aufnahm, entstanden Konstellationen, die nicht immer optimal waren.

Susi

Eine reine Hennen-WG

Die beiden Hennen zogen also bei mir ein. Die jüngere, „Susi“, übernahm hierbei mehr oder weniger die Funktion des Hahnes: Sie kontrollierte und überwachte das Revier und fütterte regelmäßig die ältere „Pepi“. Wegen der Möglichkeit regelmäßig baden zu können und der Optimierung des Futters verschwanden die Auffälligkeiten in Susis Gefieder komplett, bei Pepi blieben einige struppig wirkenden Stellen. Allerdings stellte sich heraus, dass die alte Henne eine vergrößerte Leber hatte, worin auch die Ursache für das schlechtere Federkleid lag. Die PBFD spielte für sie keine Rolle.
Die Hennen der Ziegensittiche sind sehr leise Zeitgenossinnen, die ab und an leise vor sich hin gackern und nur selten das typische Meckern von sich geben, das den Ziegensittichen ihren deutschen Namen eingebracht hat. Im Nachhinein vermute ich, dass Susi & Pepi Tochter und Mutter waren – und darum eine recht enge Bindung zueinander hatten.

Irgendwann kam eine dritte gelbe Henne ins Tierheim, die ebenfalls PBFD in sich trug. Leider sind Ziegensittiche recht häufig davon betroffen, sodass man bei einem Neuzugang immer einen Test bei einem fachkundigen Tierarzt machen sollte.
„Gerti“ wurde alles andere als mit offenen Armen empfangen: Der alten Pepi war die Neue recht egal, aber Susi sah gar nicht ein, eine Konkurrentin im Revier dulden zu müssen. Die neue Henne bekam natürlich ihre eigene Voliere, aber ich musste sie aus Platzgründen im selben Raum unterbringen. Ich ließ die Volieren zuerst nebeneinanderstehen, in der Hoffnung, dass so eine langsame Annäherung erfolgen würde. Stattdessen wurde aber am Gitter gestritten und gepöbelt. Wer einmal Hunde an einem Zaun beobachtet hat, die sich gegenseitig ankläffen, der kann sich sicher vorstellen, wie dieser Zickenkrieg aussah. Da das dauerhaften Stress für alle bedeutete, stellte ich die Volieren so weit wie möglich voneinander entfernt auf, so dass jede ihren eigenen kleinen Bereich hatte. Im Freiflug gab es weiterhin kleinere Reibereien, wobei die dominantere Susi die deutlich weniger offensive Gerti mal von hier, mal von da wegjagte. Da es aber keine blutigen Beißereien gab, Gerti zahlreiche Ausweichmöglichkeiten hatte und auch nicht permanent gejagt wurde, beließ ich es bei dieser Aufstellung. Gerti hatte zwar weder einen Partner noch eine Freundschaft bei diesem Trio, aber es war vermutlich immer noch besser, als wenn sie ganz alleine hätte leben müssen.

Irgendwann kam der Tag, an dem die alte Pepi starb und Susi mit Gerti alleine zurückblieb. Obwohl Susi jetzt keine Partnerin mehr hatte, um die sie sich kümmern konnte, war Susi nicht bereit sich auf Gerti einzulassen. Gerti war und blieb die ewige Konkurrentin und so lebten die beiden Hennen nebeneinanderher und waren sozusagen gemeinsam einsam. Eine Haltung, die ich auf keinen Fall empfehle und nur kurzfristig in einer absoluten Notsituation erfolgen sollte.  

Der Käpt'n

Der Mann im Haus

Einige Monate später kam wieder ein Ziegensittich ins Tierheim: ein gelb-grün gescheckter Hahn – auch er war Träger von PBFD. Als “Käpt'n Chaos” bei mir einzog, ließ ich alle drei Tiere zuerst im Freiflug zusammen. Während Susi völlig närrisch wurde, weil ENDLICH ein Kerl im Haus war, hielt Gerti sich vornehm zurück. Susi streckte dem Käpt'n gluckernd ihr Hinterteil entgegen und forderte ihn auf, ihr doch bitte zu ein paar Küken zu verhelfen, Gerti sah aus einiger Entfernung zu, während der Käpt'n versuchte den Raum zu erkunden und sich offenbar von Susis Annäherungsversuchen ziemlich belästigt fühlte. Plötzlich gab es zwischen Susi und dem Käpt'n wildes Geflatter, beide flogen auf der Stelle, beschimpften sich und behackten sich mit Schnäbeln und Füßen, bis Susi klein beigab. Und der Kerl zog am Ende bei der zurückhaltenden Gerti ein.
Jetzt war es der Hahn, der das Zimmer kontrollierte, sich mit melodischem Schnattern und Imponiergehabe als der Großmeister des Ganzen zu erkennen gab – und Susi immer mal wieder in die Schranken wies, wenn diese Gerti gegenüber zudringlich wurde oder versuchte, sich beim Hahn einzuschleimen. Zwischen Gerti und dem Käpt'n hingegen entstand eine echte Paarbindung.

Das Glück war Susi jedoch hold, denn eines Tags kam eine Anfrage im Tierheim, ob nicht eine einzelne Ziegensittich-Henne zur Vermittlung stünde, die Träger von PBFD wäre. In einem Privathaushalt hatte ein Hahn seine Partnerin verloren. Da Susi bei mir die Stellung von „drei sind eine zu viel“ einnahm, kam diese Anfrage gerade recht – daher zog Susi um und wurde über das Tierheim in ein neues Zuhause mit eigenem Partner und ohne Konkurrentin vermittelt.
Der Käpt'n triumphierte und bildete sich natürlich ein, dass er diese aufdringliche Henne vertrieben hätte.
In Gertis Augen war der Käpt'n natürlich der perfekte Partner. Während sie ihre Zeit mit der ewigen Suche nach einer Bruthöhle und dem Zerlegen von Pappe und Papier verbrachte, war er stets auf der Hut, bewachte das Revier, suchte nach leckerem Futter und versorgte seine Frau damit. Wenn der Käpt'n trotz aller Vorsicht doch einmal einen Brötchenkrümel ergattern konnte, fraß er ihn sofort auf, nur um direkt danach zu seiner Frau zu fliegen und diese zu füttern. Zwischen Hahn und Henne ließ sich das volle Repertoire an Verhalten zwischen Ziegensittichen beobachten, so dass nur dies als optimale Haltung für diese Tiere zu sehen ist. Auch Gerti und Käpt’n sind inzwischen nicht mehr bei mir, sondern konnten erfolgreich in ein neues Zuhause vermittelt werden.

Susi 

Haltung und Nahrung

Das Paar hatte bei mir eine Zimmervoliere in der Größe von 2 Metern Länge, 1,5 Metern Höhe und 75 Zentimeter Tiefe. Während ich arbeitete, musste ich die Tiere in der Voliere einschließen, da Ziegensittiche überall hingehen und alles annagen. In einem Wohnzimmer sind immer Kabel und andere Gefahrstellen zu finden, so dass ein unbeobachteter Freiflug nicht möglich war. Trotz allem war diese Voliere zu klein. Wenn ich nach Hause kam, wurde schon lauthals gemeckert, die die Volierentür solle gefälligst geöffnet werden. Ging die Tür auf, flogen die beiden sofort Runden im Zimmer.
Die Fütterung aus Näpfen kann man sich bei Ziegensittichen sparen. Durch die Angewohnheit nach Futter zu scharren, wird sich in oder an den Napf gesetzt und das Futter auf der Suche nach den leckersten Körnern heraus gescharrt. Also habe ich das Futter in flachen Schalen auf dem Boden angerichtet, gerne auch vermischt mit sauberer Einstreu, damit die Futtersuche auch Beschäftigung war. Die Gabe von Obst macht die Hennen schnell brutwillig, so dass ich Obst nur begrenzt empfehle, aber Gemüse wie Wurzelgemüse, Fenchel, Zucchini, Gurke, Salat und ähnliches war sehr beliebt. Oftmals aßen die Vögel zuerst Möhre und Fenchel gefressen, bevor sie an die Körner gingen. Es gab somit täglich Gemüse und Salat, sowie einen Esslöffel einer Körnermischung, die nur wenig Ölsaaten enthielt. Bei der Haltung, wie ich sie bieten konnte, hatten die Tiere deutlich zu wenig Bewegung, so dass sie leicht zu dick wurden.
In den grünen Jahreszeiten lässt sich der Speiseplan gut durch Blüten von Löwenzahn, Klee, Gänseblümchen, Vogelmiere, Schafgarbe, Knopfkraut und Co. erweitern. Im Herbst sind Eschenbeeren sehr beliebt – aber auch Brombeeren, am besten noch nicht ganz reif, werden nicht verschmäht. Gerade Wildkräuter und Blüten lassen sich im Freien gut sammeln oder auch auf einem kleinen Balkon selbst anpflanzen. Frische Zweige von Obstbäumen oder Weide sind bei den Ziegensittichen ebenfalls beliebt: Sie pulen die Blätter ab und fressen Rinde und Knospen.

Als ich die Ziegensittiche in Pflege nahm, hatte ich gedacht, dass sie auf Dauer bei mir bleiben würden – denn ich bin eigentlich nicht der Typ, der sich Tiere anschafft und diese dann weitergibt. Doch ich stelle fest, dass die Ziegensittiche zwar klein sind und durch ihre verhältnismäßig geringe Lautstärke auch nicht die Nachbarn  belästigen, aber doch recht große Ansprüche an Platz und Beschäftigung haben.
Eine Haltung in einer Voliere kann ich meinen Beobachtungen nach nur empfehlen, wenn diese deutlich länger als zwei Meter ist. Ich würde diese bewegungsfreudigen Tiere nicht mehr in eine Voliere unter vier Metern Länge setzen. Am besten wäre ein eigenes Vogelzimmer, in dem die Tiere sich frei bewegen können, ohne Gefahrenquellen wie Kabel ausgesetzt zu sein. Zudem hat der Hahn in seinem Revierwahn auch mich als Mensch gerne mal als Eindringling gesehen und versucht mich zu vertreiben.
Ziegensittiche sollten immer als gegengeschlechtliches Paar gehalten werden, damit sie ihr volles Verhalten ausleben können. Gleichgeschlechtliche Tiere leben eher nebeneinanderher oder bekämpfen sich sogar. Möchte man mehr als ein Paar halten, so sollten es mindestens drei Paare sein, da bei nur zwei Paaren mit großer Wahrscheinlichkeit zwei Fronten entstehen, die im ständigen Streit miteinander leben würden. Bei drei Paaren hat jedes Paar quasi zwei Konkurrenten vor sich, so dass man gehemmt ist, einen echten Streit anzufangen und eher rituell sein Eckchen für sich absteckt. Bei einer Haltung von mehreren Paaren ist die Haltung in einem Vogelzimmer oder einer entsprechend großen Voliere Pflicht.

Wer viel Platz hat, aber recht einfach zu haltende Vögel sucht, der ist mit Ziegensittichen gut bedient. Sie benötigen kein ausgefallenes Futter und sind mit dem Angebot aus Supermarkt und Natur gut zufrieden zu stellen. Da Ziegensittiche sehr neugierig und unerschrocken sind, kann man sie sicherlich leicht zähmen und für kleinere Aufgaben begeistern. Schmusetiere sind sie allerdings nicht, auch untereinander sitzen Ziegensittiche nicht eng zusammen oder kraulen sich stundenlang gegenseitig das Gefieder.

Kerstin Schulz