Annika Thiele freut sich für Jeff.

7. März 2016

In der Nacht von Samstag auf Sonntag erreichte uns ein Transport aus dem rumänischen Hundelager Bucov. 15 gerettete Hunde konnten bei uns aussteigen, unter ihnen eine Gasthündin*. Unsere 2. Vorsitzende Sandra Gulla berichtet von der Ankunft.

Liebe Leserinnen und Leser,

auch nach fast zwei Jahren, in denen ich nun die Ankünfte der rumänischen Hunde organisiere und begleite, bin ich jedes Mal wieder aufgeregt und sehr bewegt, wenn ein Transport erwartet wird. Diesmal fing die Nacht mit einer traurigen Begebenheit an: Auf der Fahrt zum Tierheim fuhr ich an etwas vorbei, was ich nicht sofort erkannte, aber dann doch nicht für einen Pullover oder so halten konnte. Also wendete ich und schaute nach. Es handelte sich um eine offenbar unmittelbar zuvor überfahrene Katze, die ich einpackte und mit ins Tierheim nahm. Leben und Tod liegen so nah beieinander, wurde mir wieder bewusst und mir wurde einmal mehr klar, dass ich den Unterscheid machen möchte und da wo ich es nur kann für das Leben sorgen möchte. Da wo ich kann, bei den rumänischen Hunden dieser Nacht konnte ich es. Dank der rumänischen Tierschützerinnen, die für diese Tiere einstehen mit allem was sie haben, dank unseres Kooperationsvereins ProDogRomania, der von wunderbaren Tierschutzkolleginnen getragen wird, dank der Spenderinnen und Spender, die mittlerweile jeden Transport umfassend finanzieren, dank der Adoptanten, die sich für einen Hund aus dem Tierschutz entscheiden, dank des Hamburger Tierschutzvereins, der sich diesem Leid geöffnet und sich auch damit als Tierschutzverein bewiesen hat und dank der tollen Teams, die mich in den nun schon häufigen Nächten stets absolut verlässlich unterstützt haben und die Hunde mit aller Liebe in Empfang nehmen.

Die berührenden Fotos von Petra Esch erzählen Ihnen von dieser Nacht. Einer Nacht, in der ich wie in all den Nächten zuvor immer wieder so verblüfft und berührt davon bin, welche wunderbaren Geschöpfe da zu uns kommen. Manche sehr schüchtern, aber ganz selten voller Angst, manche aufgeschlossen und einige schlicht außer sich vor Freude. So wie Lotty. Die wilde Hummel ließ sich schon kaum tragen, nicht weil sie weg wollte, sondern weil sie vor lauter Freude nicht wusste, wo sie anfangen sollte Detlef Siggelkow zu küssen und zu schmusen. Sie hat uns alle begrüßt als seien wir alte Freunde, auf die sie schon so lange gewartet hat und die nun endlich gekommen sind. Hunde wie Lotty beschämen mich immer ein wenig, weil ich mich frage, ob wir diese bedingungslose Liebe als Menschen verdient haben oder wie wir sie uns vielleicht verdienen können. Lotty wird jetzt ihren Weg machen und ich bin dankbar, dass wir ihr dabei helfen. Wie den anderen 14 geretteten Hunden.

Manche können wir nicht retten. Weil sie im Hundelager versterben oder vermisst werden, bevor wir sie aufnehmen können. Ich werde immer mal wieder gefragt, wie das denn sein kann, dass Hunde, die wir schon für den Transport ausgewählt haben, dann nicht zu uns kommen können.

Selten ist es ein schöner Grund, warum sie nicht kommen. Dann, wenn sie wie Donoma, die als Sophie nochmal in der Galerie von ProDogRomania existierte, eine Endstelle gefunden haben. Donoma/Sophie war auf dem Transport und reiste in ihr endgültiges Zuhause.

Borg, Petruschka und Naja waren unmittelbar vor dem Transport, als die Proben für die Bluttests genommen werden sollten, nicht mehr auffindbar. Es wird dann gefragt, wie kann das sein, dass die Hunde nicht mehr zu finden sind, warum sichert man die nicht, was ist mit denen passiert.

Wir holen unsere Hunde aus einem staatlichen Lager, das eigentlich auch ein Tötungslager sein könnte, wie viele andere in Rumänien. Ist es aber nicht, dank des jahrelangen und unermüdlichen Einsatzes der rumänischen Tierschützerinnen. Aber es ist ein staatliches Lager, in dem die Tiere nur aufbewahrt werden, es geht nicht darum sie zu vermitteln, sie zu retten oder darum, dass es ihnen dort gut geht. Es geht nur darum, dass sie von den Straßen Ploiestis verschwunden sind. Sie sollen möglichst unsichtbar werden. Im Hundelager Bucov sterben jeden Tag Hunde, so auch mal die, die es schon in die Galerie von ProDogRomania geschafft haben und schon das ist ja nur ein kleiner Teil der dort einsitzenden circa 1.800 Hunde. Oder es sterben auch mal die, die für den Transport ausgewählt wurden. Über die toten Hunde legt die Lagerleitung gegenüber den Tierschützerinnen keine Rechenschaft ab, sie werden entsorgt. Vielleicht sind sie aber auch nur aus dem Zwinger oder Auslauf entwischt, schlagen sich nun frei auf dem Gelände durch oder sind in einen anderen Auslauf geklettert. Niemand kann mal eben das riesige Gelände und die großen Massen an Hunden durchsuchen, um einen speziellen Hund zu finden. Die Frage, warum man die Hunde nicht vor der Ausreise sukzessive zusammensammeln kann und dann vor der Ausreiseuntersuchung schnell beieinander hat, ist schnell beantwortet. Man kann nicht willkürlich 35 oder 40 Hunde in einen oder zwei gemeinsame Ausläufe packen, ohne intensivste Rund-um-die-Uhr-Betreuung, und dann schauen was passiert. Verletzte, vielleicht tote Hunde wären das Ergebnis, viele der Tiere würden durch das Einfangen und Umsetzen nochmal verstört werden. Wir könnten auch nicht in unserem Tierheim Süderstraße mal eben eine solche Anzahl Hunde nach willkürlicher Auswahl in Gemeinschaftsausläufe packen. Das Ergebnis wäre das Gleiche. Also machen es die Tierschützerinnen vor Ort so richtig, wie sie es machen. Und wir müssen hinnehmen, dass auch mal ein Hund stirbt oder vermisst ist, dessen Bild wir vorher gesehen haben. Die allermeisten sterben dort „ungesehen“.

Sollte einer von unseren „Auserwählten“ wieder auftauchen, werden wir ihn selbstverständlich mit einem nächsten Transport aufnehmen.

ProDogRomania stellt sehr aufrichtiges und authentisches Material über die Zustände im Hundelager Bucov zur Verfügung, so dass sich jeder, den es wirklich interessiert, dort schlau lesen kann.

Hier wünsche ich Ihnen jetzt viel Freude beim Betrachten der neuerlichen Ankunft.

(Fotos: Petra Esch)


Ihre Sandra Gulla

2. Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins von 1841 e.V.

Projektkoordinatorin Auslandstierschutz Rumänien

PS: Die tote Katze war zum Glück gechipt und registriert, so konnten wir den Halten umgehend Bescheid geben über ihren schweren Verlust.


* Das sind Hunde, die bereits ein Zuhause gefunden haben, deren Ankunft aber nach den europäischen Transportbedingungen in einem Tierheim oder einer ähnlichen Einrichtung erfolgen muss, das über eine TRACES-Registrierung verfügt (TRAde Control and Expert System, ein von der EU eingeführtes Datenbanksystem, mit dem der gesamte Tierverkehr innerhalb der EU sowie aus der und in die EU erfasst wird). Zudem haben die Amtsveterinäre, die für die Transporte von ProDogRomania e.V. in Deutschland zuständig sind, zur Auflage gemacht, dass die Hunde mindestens 48 Stunden in unserem Tierheim verbleiben, damit ggf. eine Kontrolle der Hunde durch die örtlichen Amtsveterinäre möglich ist. So ist die Aufnahme von Gasthunden keine große Sache für uns, für den Weg dieser Hunde in ein sicheres Zuhause aber unerlässliche Voraussetzung.