In Dreck und Enge harren die Hunde im Lager aus.

2. Juni 2016

Unser Vorstandsmitglied Daniela Esser war in der Zeit vom 13. bis zum 21. Mai 2016 in dem staatlichen Hundelager Bucov in Rumänien, aus dem wir regelmäßig Hunde aufnehmen. Sie begleitete hier einen Bautrupp, der die Lebensbedingungen der Hunde vor Ort zumindest ein wenig verbessern wollte. Ihre Eindrücke und Erfahrungen zu dieser Tierschutzreise hat sie nunmehr aufgeschrieben:


Bucov – gedanklich bin ich immer noch dort, obwohl ich längst wieder in Deutschland bin und vermeintlich der Alltag einkehrt. Ich glaube, wer einmal dort war, weiß, dass dies einer der Orte ist, die einen nicht mehr loslassen. Ein Ort, der einem Schauer über den Rücken jagt, der wütend und traurig macht, ein Ort, der einen ohnmächtig zurücklässt und doch gleichzeitig so unendlich berührt.

Ich dachte, ich wäre vorbereitet, als ich meine erste Reise nach Rumänien am 13. Mai 2016 antrat. Ich hatte mit Menschen gesprochen, die bereits dort waren, hatte über das Land und die Stadt Ploiesti und die politische Situation dort gelesen, habe mir Videos, Fotos und Berichte des Hundelagers angesehen. Und dann stand ich am 14. Mai um 8 Uhr am Eingangstor von Bucov und war gar nicht vorbereitet auf das, was nun auf mich zukam …

Das Erste, was einem entgegenschlägt, ist der Lärm – Hundegebell, Geschrei und regelrechtes Weinen, es ist alles dabei! Unsicher schaut man sich um, immer die Angst im Nacken, gleich mit etwas konfrontiert zu werden, was man vermeintlich nicht ertragen kann. Ich sollte auf meiner Reise noch lernen, dass ich mehr ertragen kann und muss, als ich je für möglich hielt!

Zu viele schlimme Dinge hatte ich vor meiner Reise von Bucov gehört: von Hundefängern, die Hunde mit Stahlschlingen einfangen und brutal hinter sich herziehen, von betäubten Hunden, die nach Kastrationen einfach in überfüllte Zwinger geworfen werden, von toten Welpen und tödlichen Beißereien ... und alles trifft zu! Genau so sollte ich Bucov noch kennenlernen.

Am ersten Tag konnte ich mir erstmal einen Überblick vom Lagergelände und den Kennels verschaffen. Das Gelände ist wirklich groß und eigentlich wäre es ein schöner Ort, um ein Tierheim aufzubauen. Aber Bucov ist kein Tierheim, es ist ein staatliches Hundelager und ob hier etwas für Hunde „schön“ ist, interessiert nicht.

Ich habe noch nie so viele Hunde gesehen – es müssen so um die 2000 Tiere sein. Trotz dieser unglaublichen Anzahl an Hunden, habe ich keinen einzigen wirklich aggressiven Hund kennengelernt! Ich habe ängstliche, verzweifelte, zurückhaltende, aber auch überaus freundliche, aufgeschlossene und fröhliche Hunde gesehen.
Doch all diese Hunde haben eins gemeinsam – sie leben unter erbärmlichen Umständen. Nicht alle Hunde haben einen trockenen und geschützten Rückzugsort. Es herrscht eine unglaubliche Enge in vielen der Kennel, viel zu viele Hunde auf wenig Raum – in keiner Weise vergleichbar mit einem Tierheim bei uns!
Aniela und Mihaela, die rumänischen Tierschützerinnen vor Ort, versuchen zwar ihr Bestes, um einigermaßen vernünftige Gruppenzusammenstellungen zu schaffen, aber bei der Vielzahl der Hunde, insbesondere durch die täglich neu hinzukommenden, ist das völlig unmöglich. Die Folge sind böse Beißereien, die manche Hunde leider nicht überleben.

Beim Erfassen der Hunde.
Auch das Erfassen der Hunde – meine eigentliche Hauptaufgabe in Bucov – ist ziemlich schwierig. Es sind so viele Hunde, die erfasst werden müssen, dass man eigentlich gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Selbst wenn man versucht, systematisch Kennel für Kennel abzuarbeiten, findet man am anderen Tag schon wieder ganz andere Hunde vor oder die erfassten sind „vermisst“, das heißt sie sind nicht mehr auffindbar. Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie tot sind, häufig wurden sie einfach nur von den Arbeitern umgesetzt oder sind entwischt und laufen dann frei auf dem Gelände. Es ist also ein Kampf gegen Windmühlen, den man eigentlich nicht gewinnen kann … aber man macht natürlich trotzdem weiter. Denn nur ein erfasster Hund, der mit Foto und Namen in der Galerie von ProDogRomania e.V. Einzug hält, hat eine reelle Chance, Bucov lebend zu verlassen. Andernfalls bleiben die Hunde bis zum bitteren Ende an diesem so schrecklichen Ort. Allein dieser Gedanke spornt so an, immer weiterzumachen!

Eine Routine gibt es in Bucov jedoch nicht, auch das musste ich schnell lernen. Es kommt immer etwas dazwischen, selbst wenn man glaubt, seinen Tag gut durchstrukturiert zu haben. So habe ich meine Tage in Bucov nicht nur mit der Erfassung von Hunden verbracht, sondern auch bei der medizinischen Versorgung der Hunde geholfen. Die vom Tierschutz bezahlten Tierärzte Paul und Irina haben mir gezeigt, wie unter den widrigen Umständen Hunde im Lager behandelt werden – ich kann mir nicht vorstellen, dass viele deutsche Tierärzte bereit wären, unter diesen Bedingungen und mit diesen Belastungen zu arbeiten. Dank der beiden Tierärzte konnte ich an schönen Behandlungserfolgen teilhaben, habe aber auch tragische Ausgänge miterlebt. Freude und Leid liegen nirgends näher beieinander als in Bucov!

Leider ist es auch nicht selbstverständlich, dass die Hunde täglich mit Wasser und Futter versorgt werden. Also bin ich häufig selbst mit zwei Zehn-Liter-Eimern losgerannt, um den vergessenen Hunden wenigstens Wasser zu bringen. Ich habe nicht gezählt, wie viele Eimer ich in den letzten Tagen geschleppt habe, meinen Schulter- und Armschmerzen zufolge müssen es Hunderte gewesen sein. Aber letztlich ist das auch egal, das Gefühl, das Lager am Nachmittag mit dem Wissen zu verlassen, dass zumindest an diesem Tag alle Hunde Wasser hatten, ist jede Mühe wert! Aber es ist dann gleichzeitig die Sorge da, wer denn kontrolliert und gegebenenfalls Wasser oder Futter bringt, wenn man selbst wieder abgereist ist. So verlässt man nach einem Arbeitseinsatz Bucov immer mit gemischten Gefühlen: Freude, viel geschafft zu haben und nun zurückkehren zu können in sein „altes“ Leben und große Trauer und Verzweiflung, weil man die Hunde zurücklässt und ihnen im Notfall nicht mehr beistehen kann.

Ich will es nicht verschweigen – ich habe jeden Tag geweint. Aus Trauer, Wut, Verzweiflung, aber auch vor Erleichterung und Freude – nämlich dann, wenn man eine arme Seele in Sicherheit wusste, wenn die Hunde ALLE Wasser und Futter hatten und wenn man einem Hund durch einen kleinen Augenblick Aufmerksamkeit so viel Lebensmut zurückbringen konnte. Ich habe den Hunden dort eigentlich so wenig geben können und bekam so überwältigend viel zurück, ich habe so viel Liebe von den Hunden erfahren dürfen und das beschämt mich zutiefst!

Ich habe aber nicht nur wunderbare Hunde kennenlernen dürfen in diesen Tagen. Ich habe auch unglaubliche Menschen kennengelernt, die mein Leben auf ganz wunderbare Weise bereichert haben. Diesen Menschen gebühren mein größter Respekt und mein Dank! Die Arbeit von Aniela und Mihaela, den Pflegestellen und den Tierärzten in Rumänien kann man kaum in Worte fassen, sie sehen all das Leid jeden Tag und kämpfen doch unermüdlich unter widrigen Bedingungen weiter. Ich hatte schon Mühe, diese acht Tage in Rumänien mit all ihren Eindrücken zu überstehen.
Ich danke daher vor allem auch „meinen“ Männern vom Bautrupp, die mich – jeder auf seine Weise – immer wieder aufgefangen haben, obwohl sie selbst alle, sowohl emotional als auch körperlich, an die Grenze der Belastbarkeit gelangt sind. „Alles für den Hund“ war unser Motto, wenn der Mut zu sinken drohte und die Trauer und Verzweiflung Überhand nehmen wollten. Der Bautrupp bestand aus meinem Mann und Mitarbeiter des HTV, René Esser, den beiden HTV-Mitgliedern Detlef Siggelkow und Stefan Wolf, dem erfahrene Auslandstierschützer Robert Goldbach sowie Alfons Russ aus Dachsenhausen bei Koblenz.

René und die anderen bauen Überdachungen für die Zwinger.
Die Männer haben mehrere Zwingeranlagen überdacht, damit die Hunde vor Sonne und Regen geschützt sind und ihre Lebensbedingungen somit zumindest etwas verbessert werden konnten. Zudem haben sie zwei neue Zwinger gebaut, sodass die rumänischen Tierschützer vor Ort wieder etwas mehr Platz hatten, um neue Hunde unterzubringen. Auch die unzähligen Welpen sollten einen neuen geschützten Bereich auf dem Lagergelände erhalten. Der Bautrupp hat drei überdachte und mit Steinplatten ausgelegte, komplett neue Welpenzwinger bauen können. Kaum waren sie fertig, zogen die ersten Bewohner bereits ein – glücklich über einen trockenen, sicheren Platz. Schließlich konnten sogar noch einige Zäune und Hütten repariert werden – die Männer haben unglaubliches geleistet, in der eigentlich viel zu kurzen Zeit.

Besonders bedanken möchte ich mich bei Robert Goldbach. Er hat mich – ohne es wahrscheinlich überhaupt bemerkt zu haben – immer wieder „geerdet“. Er hat jahrelange Auslandstierschutzerfahrung und eine recht pragmatischen Art. Es hat manchmal einfach gereicht, dass er uns immer wieder vor Augen gehalten hat, dass es im Lager schon so viel besser ist, als noch vor wenigen Jahren und dass wir – Hier und Jetzt – genau das Richtige tun!
Er hat mir erklärt, welche Situation unsere Tierschutzkollegen von ProDogRomania e.V. vorgefunden haben, als sie mit ihrem umfassenden Engagement hier in Bucov ihre Arbeit aufnahmen, um die lokalen Tierschützer zu unterstützen und ich bin voller Hochachtung für die Leistung unserer Kooperationspartner.

Bieber
Es gibt aber noch jemanden, dem mein Dank in ganz besonderer Weise gebührt – es ist ein Hund!
Bieber – mein wunderbarer, schwarzer, entspannter Rüde, der frei auf dem Lagergelände lebt und mich von Anfang an begleitete. Er hat mir nach nur zwei Tagen sein Vertrauen geschenkt und mir damit die wohl wichtigsten Momente in Bucov beschert. Momente der Stille, Eintracht und des Glücks. Die Augenblicke, die wir gemeinsam die Augen schlossen und ich deine Schnauze kraulen durfte und du dies so genießen konntest, das waren die Momente, in denen die Welt in Ordnung war und Bucov für mich der schönste Ort der Welt. Halte durch! Ich hab dir versprochen, alles zu tun, um dich da raus zu holen … ich hoffe und bange so sehr!

Doch auch all die anderen Fellnasen sind nicht vergessen, auch ihnen habe ich mein Wort gegeben, sie nicht im Stich zu lassen und so wird Bucov für mich auch zu einem Ort, an den ich immer wieder zurückkehren werde.

Schon vor dieser Tierschutzreise stand ich voller Überzeugung hinter dem Auslandstierschutzprojekt des HTV, geradezu war das Projekt der Grund, dass ich mich immer intensiver im und für den HTV engagiert habe. Doch erst jetzt, da ich wirklich weiß, wo und wie sehr wir den Tieren dort helfen und wie wichtig unsere Hilfe insbesondere auch für die Tierschützer vor Ort ist, erst jetzt bin ich mir wirklich im Klaren darüber, wie wichtig und richtig dieses Projekt ist.

Daher würde ich mich sehr freuen, wenn sich weitere HTV-ler entschließen, in Bucov aktiv zu helfen. Ich empfehle dann allerdings, sich zunächst erfahrenen Tierschutzreisenden anzuschließen, sonst ist es einfach zu viel für einen allein.

Die nächste Gelegenheit bietet sich hierfür bereits Ende Juli/Anfang August dieses Jahres. Dann wird unsere 1. Vorsitzende Sandra Gulla, die das Auslandstierschutzprojekt des HTV koordiniert, zum wiederholten Male nach Ploiesti in das Hundelager Bucov reisen. Wer sich für die Tierschutzreisen des HTV interessiert und den Mut fasst, selbst aktiv vor Ort den Hunden zu helfen, kann sich gerne beim HTV unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. melden.

Hier finden Sie weitere Fotos aus Bucov.


Am Montag werde ich Ihnen hier auf der HTV-Seite die zwölf Hunde aus Bucov vorstellen, die mit dem nächsten Transport nach Hamburg kommen sollen, mit der Bitte an Sie, uns bei der Finanzierung der Ausreisetickets zu unterstützen.