Stefan Klippstein (l.) und Nicole Hartmann (r.) vor Ort

Im Oktober letzten Jahres rückten der bekannte Tierretter Stefan Klippstein und die Tierschutzberaterin Nicole Hartmann aus, um eine vermutete Tierrechtsverletzung aufzudecken. Ihr Ziel: Die Terraristikbörse in Berlin – eine vor der Pandemie sechs Mal jährlich stattfindende Messe, auf der Aussteller Exoten aller Art zu günstigen Preisen zum Kauf anbieten.

Die beiden Tierschützer gaben sich als interessierte Käufer und Besucher der Messe aus und konnten einige Tierrechtsverletzungen feststellen. Obwohl es Börsenleitlinien gibt, die vorschreiben, wie die Börse abzulaufen hat und das Tierwohl sichern wollen, so sieht die Umsetzung in der Praxis ganz anders aus.

Die Situation vor Ort

Wir erleben im Tierschutz immer wieder, dass Vorschriften, die im Tierschutzgesetz verankert sind, in der Realität nicht umgesetzt werden. Laut Börsenordnung müssen die Verkaufsbehältnisse eine entsprechende Größe aufweisen, so dass sich die Tiere ungehindert drehen können und auch die Möglichkeit zum Rückzug haben. Wie Nicole Hartmann und Stefan Klippstein feststellten, war dem nicht der Fall.

Viele Tiere saßen einfach nur auf Küchenpapier, was gerade für wärmeliebende Reptilien fatal sein kann.  Wasserschildkröten (z. B. die Florida-Rotbauch-Schmuckschildkröten) hatten nur ein kleines befeuchtetes Wattepad in ihrer Plastikbox zur Verfügung. Schlangen wurden in zu kleinen Boxen untergebracht und kauerten sich dort zusammen, Spinnen teilweise nur in Filmdosen aufbewahrt. Viele Reptilien versuchten sich aus purer Verzweiflung, weil Rückzugsmöglichkeiten nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung standen, unter dem Küchenpapier in ihrer Plastikbox einzugraben.

Die Tiere zeigten durchweg extreme Stresssymptome: Bei den Schlangen äußerte sich dies in den meisten Fällen durch ein Dauerzüngeln und kreisende Kopfbewegungen, während die Schildkröten wild in ihrer Box gruben und Echsen sowie Geckos sich so eng wie nur möglich in eine Ecke drückten. Viele Tiere versuchten verzweifelt Wege aus den Boxen zu finden. „Über die Ausstellungsbedingungen der Tiere auf der Börse war ich wirklich schockiert. Viele Händler reisen von Börse zu Börse, was für die Tiere heißt, dass sie wochen- und teilweise monatelang in den viel zu kleinen Verkaufsbehältnissen ausharren müssen.“, so Nicole Hartmann.

Die Geretteten

Um den Berliner Behörden Beweise für die Missstände auf der Börse liefern zu können, erwarben die Tierretter zu Dokumentationszwecken bei ihrem Besuch drei krank aussehende Reptilien - eine Aga-Kröte, ein Panther Chamäleon und einen Leopardgecko – und brachten sie postwendend zu einem Nottierarzt, von wo aus sie an eine Exotenstation in Brandenburg übergeben wurden. Die Kröte zeigte massiv gestresstes Verhalten und sprang durchgehend hysterisch gegen den Deckel der Box, das Chamäleon hatte Häutungsprobleme und hätte aus gesundheitlichen Gründen nicht verkauft werden dürfen und der Gecko war vor Unterkühlung bereits blau angelaufen und bewegte sich kaum noch. Außerdem hatte er einen abgebissenen Schwanz; die Wunde war bereits nekrotisch.

Das Panther Chamäleon hat starke Häutungsprobleme
Die Aga-Kröte versucht unter dem Toilettenpapier Schutz zu finden

Erfolg für die Tierretter

Gab es vor einigen Jahren noch dutzende gewerbliche Exotenhändler aus dem europäischen Ausland auf der Berliner Terraristikbörse, sind diese mittlerweile vollständig von der Ausstellungsfläche verschwunden und die Messe findet in einem kleineren Rahmen statt. Auch illegale Kofferraumverkäufe von Reptilien auf den Parkplätzen vor dem Börsengelände waren keine Seltenheit. Die Tiere konnte man sich über das Internet bestellen und die Händler lieferten sie meist aus dem polnischen Ausland zu der Börse.  Das konnten die Tierschützer in diesem Jahr glücklicherweise nicht beobachten. Undercover versuchten sie als Stichprobentest, einen Kaiman, dessen Haltung und Verkauf in Berlin verboten ist, zu erwerben. Der Versuch bleib jedoch glücklicherweise erfolglos: der kontaktierte Händler schrieb sogar, dass ihm zu viele Tierschützer auf der Börse seien.

Durch unsere Arbeit und insbesondere die Hartnäckigkeit von Stefan Klippstein, hat die Behörde in Berlin die Börse häufiger im Visier, wodurch die Kontrollen immer mehr zunehmen: Das zwingt die Betreiber und Aussteller dazu, sich an die auferlegten Vorschriften zu halten.

Die letzte Börse hätte im Dezember stattfinden sollen, wurde aber aufgrund von Corona verschoben. Wir wünschen uns, dass kein Exot mehr diesem Stress ausgesetzt werden muss und alle Interessierten vor Ort umfassend über die Exotenhaltung aufgeklärt werden. Es lohnt sich, zunächst ein Tierheim vor Ort aufzusuchen, denn dort warten einige wunderbare Tiere oftmals leider jahrelang auf ein neues Zuhause.

Die Tierheime quellen über vor vernachlässigten Exoten

 „Tierheime und spezielle Auffangstationen verzeichnen ein breites Artenspektrum aufgenommener (exotischer) Tiere. Die Abgabegründe weisen darauf hin, dass die Halter sich vor dem Tierkauf häufig nicht genügend informiert haben oder falsch beziehungsweise nicht beraten wurden“, heißt es auf der Webseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Das konnten wir auch auf der Börse beobachten: Für Nicole Hartmann war es ohne Fachkenntnis und adäquate Unterbringungsmöglichkeit ein Kinderspiel, drei gänzlich verschiedene Exoten zu kaufen ohne von den Händlern – wie es eigentlich laut Vorschrift hätte sein müssen – gefragt zu werden, wie sie die Tiere halten möchte oder was sie generell mit ihnen vorhat.

Der Hamburger Tierschutzverein kann dies seit vielen Jahren aus leidvoller Erfahrung bestätigen. Da es schwierig ist, geeignete neue Halter für unsere Reptilien zu finden, die über das nötige Fachwissen verfügen und den Tieren lebenslang ein zumindest annähernd artgemäßes Leben bieten können, werden die meisten Schlangen, Echsen und Schildkröten vermutlich leider eine lange Zeit bei uns im Tierheim Süderstraße oder generell in Tierheimen bleiben müssen.