Gnadenlos und brutal wird im Schlachthof Temme mit den Tieren umgegangen. Foto: Soko Tierschutz

23. Oktober 2018

Aktuelle Recherchen der „Soko Tierschutz“ offenbaren das grausame Ausmaß der Fleisch- und Milchindustrie. In Schlachthöfen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hat die Organisation massive Fälle von Tierquälerei aufgedeckt. Der Hamburger Tierschutzverein verurteilt die entsetzlichen Verstöße gegen den Tierschutz und bezieht Stellung zu den Vorfällen.

Eine Kuh liegt auf dem Boden und kann nicht mehr aufstehen. Gewaltsam wird sie an einem Bein in den Schlachthof gezogen. Weitere Tiere werden vor Ort mit Elektroschockern malträtiert, bereits tote Milchkühe landen bedenkenlos im Schlachtraum. Die Aufnahmen zeigen nicht nur eine äußerst brutale Behandlung der Tiere. Sie decken eine offenbar systematische Ausbeutung von altersschwachen und für die Milchindustrie ausgedienten Tieren auf. Diese werden nicht, wie vorgeschrieben, notgetötet, sondern illegal hunderte Kilometer zu Schlachthöfen in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt transportiert.

Wie die Recherchen zeigen, werden auch bereits tote Tiere vor Ort weiterverarbeitet. Der Schlachthof Karl Temme in Bad Iburg hat laut „Soko Tierschutz“ etwa den Ruf, alle Tiere anzunehmen, die andere Betriebe ablehnen oder direkt entsorgen würden. Der Schlachthof wurde im Zuge aktueller Ermittlungen bereits geschlossen. So auch die Landmetzgerei Matthias Blohm in Schönhausen bei Stendal, in der kranke und verletzte Tiere massiv misshandelt wurden. Beide Fälle dokumentieren ein dramatisches Versagen der Behörden und zuständigen Veterinärämter.

Ein unerträglich barbarischer Umgang mit den Tieren auch im Schlachthof Blohm. Foto: Soko Tierschutz

„Mich schmettern diese Bilder nieder“, so Sandra Gulla, 1. Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins. „Und ich frage mich einmal mehr, wofür das alles? Damit der Mensch als einziges Säugetier auch noch im Erwachsenenalter Muttermilch trinken kann und dann auch noch von einer anderen Art. Nicht mal am Ende eines erbärmlichen Lebens bestehend aus Zwangsbesamung, Entreißen des gerade geborenen Kälbchens, Ausbeutung der sogenannten Milchleistung der Mutterkuh und wieder Zwangsbesamung wird diesen Tieren ein schonender Tod gegönnt. Nein, sie werden mit Elektroschockern angelegt an Augen, Genitalien oder den empfindlichen Eutern zur Schlachtung gequält, kaum in der Lage sich auf den eigenen Beinen zu halten. Können wir noch tiefer sinken? So unerträglich diese Bilder auch sind, so sehr bin ich Friedrich Mülln und anderen investigativ tätigen Tierschützern dankbar, dass sie nicht nachlassen, die Stimme dieser geschundenen Kreaturen zu sein.“ Doch jede Verbraucherin und jeder Verbraucher hat die Macht, sich dieser Tierquälerei und Ausbeutung zu verweigern und nur noch tierleidfreie Pflanzenmilch zu nutzen.

Der Landkreis Osnabrück will den Schlachthof Temme dauerhaft stilllegen und entschied gestern, dass dem Betrieb „unbefristet untersagt wird, zu schlachten oder Lebensmittel in den Verkehr zu bringen“, so die „Neue Osnabrücker Zeitung“. Die für den Schlachthof zuständigen Veterinärmediziner wurde vom Dienst freigestellt. Gegen sie wird genauso ermittelt, wie gegen den Geschäftsführer des Betriebes. Auch der Landkreis Stendal hat die einstweilige Schließung des zweiten Schlachthofes in Schönhausen angeordnet.

Die Vorfälle in den Schlachthöfen lösen erneut eine Welle der Empörung und eine breite Berichterstattung in den Medien aus. Doch Aufnahmen wie diese sind kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu Enthüllungen über die katastrophalen Transport- und Haltungsbedingungen der Tiere, wie auch der aktuelle ARD-Beitrag zu quälenden Langstreckentransporten von Rindern ins Ausland offenlegt.
Der Hamburger Tierschutzverein ruft daher dazu auf, eine der zahlreichen und köstlichen Alternativen zu Kuhmilch zu genießen. Weitere Hintergrundinformationen zum brutalen Geschäft der globalen Milchindustrie und ihrer Folgen für Tiere, Mensch und Umwelt bietet der Film „Das System Milch – Die Wahrheit über die Milchindustrie“.

Hintergrund: Zehn Prozent aller geschlachteten Milchkühe sind tragend
Um im Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt bestehen zu können, werden Milchkühe massiv ausgebeutet. Die Züchtung auf maximale Milchleistung bringt gesundheitliche Probleme mit sich: Die Tiere leiden unter Euterentzündungen, Stoffwechselstörungen und Klauenschäden. Die Lebenszeit ist mit durchschnittlich vier Jahren extrem verkürzt. Bei nachlassender Milchleistung werden die Kühe aus dem Bestand aussortiert und geschlachtet, wobei eventuelle Trächtigkeiten billigend in Kauf genommen werden. Werden die Mutterkühe geschlachtet, sterben die ungeborenen Kälbchen, im letzten Drittel der Trächtigkeit ersticken die lebensfähigen Kälbchen nach langem Todeskampf in der Gebärmutter. Die Spezialisierung auf das Zuchtmerkmal Milchleistung bringt außerdem mit sich, dass männliche Kälber von Hochleistungsrassen wirtschaftlich wertlos sind. Sie geben weder Milch, noch eignen sie sich als Mastrinder, weshalb sie noch als Tierkinder geschlachtet werden.