Die Tiere auf Langstreckentransporten erleiden unvorstellbare Qualen. Foto: Deutscher Tierschutzbund

Pressemitteilung vom Deutschen Tierschutzbund
19. Februar 2018

Die EU-Kommission hat vor wenigen Tagen geäußert, den Export lebender Tiere nicht einschränken zu wollen. Basis der Erkenntnis: Nicht etwa die Bilddokumentationen der letzten Monate, nein, allein das Aktenstudium brachte die EU-Verantwortlichen zu dieser unsäglichen Haltung.

Pressemitteilung vom Deutschen Tierschutzbund vom 16. Februar 2018:

Der Deutsche Tierschutzbund warnt davor, die Brisanz von Lebendtiertransporten in Drittländer und das damit verbundene Tierleid herunterzuspielen. Die EU-Kommission hatte Anfang der Woche geäußert, den Export lebender Tiere nicht einschränken zu wollen. Die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission veröffentlichte kurz zuvor einen Bericht zur Bewertung des Tierschutzes während des Transportes von Tieren in Drittländer. Obwohl nicht die Tiertransporte selbst und damit die tatsächlichen Bedingungen während der Transporte, sondern lediglich eine Dokumentenprüfung durchgeführt wurde, wird der Eindruck erweckt, dass ein ausreichender Schutz der Tiere gewährleistet ist und die Transporte reibungslos funktionieren.

„Wie es den Tieren wirklich geht, wenn sie tagelang bei unsäglicher Hitze auf einem Transporter verbringen müssen und welche Qualen sie dabei erleiden müssen, wurde nicht überprüft“, kritisiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Das wirkliche Ausmaß der Transporte und das Leid für die Tiere wird in diesem Bericht zu Unrecht heruntergespielt.“

Auf eine schriftliche Anfrage der Europaabgeordneten Ulrike Müller und Jan Huitema (ALDE) hatte sich der zuständige EU-Kommissar Vytenis Andriukaitis dahingehend geäußert, dass der „Handel mit lebenden Tieren integraler Bestandteil der modernen Landwirtschaft“ sei. Die Kommission zieht daher nicht in Erwägung, die Ausfuhr lebender Tiere einzuschränken. „Es ist enttäuschend und nicht nachvollziehbar, dass die Kommission dies so rigoros ausschließt“, sagt Schröder. „Zwar erkennt sie die Tierschutzproblematik an und will sich für einen verbesserten Schutz der Tiere einsetzen. Es müssen jedoch endlich Taten folgen. Solange es diese unnötigen Transporte gibt, müssen die EU-Staaten gewährleisten, dass Tierschutzvorgaben und damit EU-Recht bis zum Bestimmungsort der Tiere eingehalten werden – so wie es der Europäische Gerichtshof in einem Urteil bereits 2015 festgelegt hatte. Das ist mittels Dokumentenprüfung nicht zu schaffen.“

Kritik gibt es von Seiten des Deutschen Tierschutzbundes auch für den Bundesverband Rind und Schwein. Dieser bemüht sich nach eigenen Angaben aktuell darum, „wieder Vertrauen in das System Langstreckentransporte“ herzustellen. „Statt das Image der Transporte wieder aufzupolieren, sollte auch die Branche daran interessiert sein, langfristige Lösungen zu finden“, sagt Schröder. Dazu zählen aus Sicht der Tierschützer die Stärkung regionaler Strukturen, der Transport von Fleisch bzw. Samen von Zuchttieren anstelle lebender Tiere sowie die Rückkehr zu Zweinutzungsrassen.

Sandra Gulla, 1. Vorsitzende des HTV, kommentiert: „Wenn nach dem zuständigen EU-Kommissar ‚Handel mit lebenden Tieren integraler Bestandteil der modernen Landwirtschaft‘ ist, dann muss man das ganz klar als Aussage werten, dass massive Tierquälerei notwendiger Bestandteil der modernen Landwirtschaft ist. Wobei sich bei den Haltungsbedingungen der Tiere schon die Frage stellt, was man in dem Zusammenhang mit Landwirtschaft meint. Uns bleibt, den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die bei den nächsten Europawahlen auch wieder ihre Stimme abgeben können, zu berichten, dass die Tierquälerei, die so viele von uns nicht mehr hat schlafen lassen – nachdem wir die Berichte der letzten Zeit sahen –, ein Teil des Systems der Nutztierhaltung ist und damit nur die Abschaffung dieses Systems die apokalyptische Tierqual in der Haltung, auf den Transporten und in den Schlachthäusern hier und in Drittstaaten beenden wird. Ich hoffe sehr, dass alle investigativ arbeitenden Tierschützerinnen und Tierschützer uns immer wieder vor Augen führen, wie der ‚Handel mit lebenden Tieren als integraler Bestandteil der modernen Landwirtschaft‘ ganz real aussieht.“

Der HTV hatte bereits mehrfach zum Thema berichtet: Erst wiesen wir auf die ZDF-Reportage „Geheimsache Tiertransporte“ von Manfred Karremann hin, dann berichteten wir über Reaktionen auf die Dokumentation und riefen auf, eine Petition zu unterzeichnen. Schließlich forderten der Deutsche Tierschutzbund und wir ein generelles Verbot von Lebendtiertransporten in Drittländer.