Der Wolf ist zurück in Deutschland - und das ist gut so.

Vor 150 Jahren wurde er in Deutschland ausgerottet. Doch seit einigen Jahren erobert sich der Wolf seine einstigen Reviere wieder zurück. Mittlerweile soll es in Deutschland bis zu 73 Rudel und 30 Paare geben. Doch nach anfänglicher Zurückhaltung machen jetzt immer mehr Tiernutzer und ihre Lobbyisten mobil und fordern den Abschuss von „Problemwölfen“. Und in den Medien wird jeder angebliche Vorfall mit einem Wolf ausgeschlachtet, werden Ängste geschürt.

Es war eine kleine Sensation, als die ersten Wolfsbabys in Deutschland im Jahr 2000 in der Wildnis geboren wurden. Denn es kommt nicht oft vor, dass einmal ausgerottete Tierarten wieder heimisch werden. So war die Freude bei vielen auch groß, dass das scheue Tier den Weg zurück in unser Land gefunden hat. Doch seit einiger Zeit versuchen Tiernutzer und ihre politischen Unterstützer Stimmung gegen den Wolf zu machen. Sie sehen in ihm den Beutekonkurrenten – was vor 150 Jahren zur Ausrottung führte. Dabei sucht der Wolf nicht wirklich die Nähe zum Menschen. Nur: Deutschland ist enger besiedelt als noch vor vielen Jahrzehnten, unberührte, große Naturflächen gibt es kaum noch. Dafür immer mehr und größere sogenannte Nutztierherden, die auch nachts draußen sind. Ein einladend gedeckter Tisch für den Wolf. Doch wenn der Wolf sich an einer Schafsherde gütlich tut, dann ist dafür weniger der Wolf, als vielmehr der Mensch verantwortlich. Er lässt seine Herde, anders als noch vor Jahrzehnten, auch nachts oftmals alleine draußen. Und die Anschaffung von Schutzzäunen oder Herdenschutzhunden ist vielen offenbar zu teuer – trotz staatlicher Zuschüsse. Aber ein Stromdraht in Knie- und Hüfthöhe, wie er bei der Schafherdenhaltung üblich ist, hält keinen Wolf ab.

So kann man mittlerweile wöchentlich Berichte von Wolfsrissen in den Medien lesen, in denen „Schäfer mit den Tränen ringen“ und den Abschuss einzelner Wölfe fordern. Doch so traurig die Fotos von gerissenen Schafen auch sind, es sind zumindest auf den zweiten Blick Krokodilstränen, die die Tiernutzer da vergießen. Denn sie halten und züchten ihre Tiere nicht aus romantischen Gründen, sondern sie trachten ihnen auf kurz oder lang nach dem Leben und lassen sie schlachten – rein aus Profitgründen. Und sie sind es, die ihre Tiere der neuen Gefahr schutzlos oder mit nur mangelhaften Schutz aussetzen, sie nachts nicht durch Menschen behüten lassen. Doch trotz dieser Versäumnisse haben sie eine immer größer werdende Lobby.

Til Backhaus, Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern.
Und der fällt dann nichts anderes ein, als wie vor vielen Jahrzehnten: Wölfe abschießen! Eine absolut unerträgliche Forderung aus Sicht des Hamburger Tierschutzvereins. So hatte Til Backhaus (SPD), Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern, jüngst von 650 Wölfen in Deutschland gesprochen, um zu bekräftigen, dass man endlich handeln müsse. Woher die Zahl stammt, weiß keiner. Aber das Manöver ist durchsichtig. Denn je höher der angenommene Bestand ist, desto eher gibt es auch politische Mehrheiten für Abschüsse. Die Diskussion um Obergrenzen ist in vollem Gange. Auch der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) plädiert für ein hartes Durchgreifen. Nach anfänglicher Ablehnung erwägt er neuerdings, den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen zu lassen – wie vom Deutschen Jagdverband gefordert. Dabei sollte er wissen, dass Bejagung kein Herdenschutz ist. Denn wenn einzelne Tiere geschossen werden, ist damit kein Lerneffekt auf ein Rudel oder andere Tiere verbunden. Und in Schleswig-Holstein hatten unter anderem CDU-Politiker wolfsfreie Zonen gefordert, was Umweltminister Jan Philipp Albrecht vom grünen Koalitionspartner ablehnt. Doch zur Koalition gehört auch die FDP – und ein Liberaler verstieg sich jüngst gar in der Ansicht, er „teile die Einstellung, dass der Wolf nicht in Schleswig-Holstein heimisch werden sollte“. Am Ende der hitzigen Diskussion könnte der Wolf wieder zum Opfer werden. Denn auch CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner hat sich längst gegen den Wolf positiert: Sie fordert alle juristischen Möglichkeiten zur Wolfs-Reduzierung auszuschöpfen - und meint damit auch eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. „Damit beweisen die Tiernutzer und ihre Unterstützer wieder einmal, dass sie mit der Natur und dem Tier- und Artenschutz so gar nichts am Hut haben. Für sie ist ein Tier nur ein Produktionsmittel“, kritisiert Sandra Gulla, 1. Vorsitzende vom Hamburger Tierschutzverein.

In Bayern gab es Mitte Dezember 2018 sogar eine Protestaktion – Motto: „Stoppt den Wolf endlich“. Rund 300 Landwirte kamen zu der vom Bayerischen Bauernverband organisierten Anti-Wolf-Aktion. Der Verband hatte dort ein Papier präsentiert. Martialischer Titel: „Wölfe gefährden die bäuerliche Weidewirtschaft in Oberbayern.“ Auch hier wurden „wolfsfreie Zonen“ gefordert, die sowohl nach EU-Recht, wie auch nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen und dem Bundesnaturschutzgesetz, rechtswidrig sind. Und natürlich geht es auch ums Geld. Die Tiernutzer wollen für jeden Wolfsriss möglichst viel Entschädigung rausholen. Für den Hamburger Tierschutzverein ist klar, dass nur jene Ausgleichszahlungen bekommen dürfen, die vorher bestmöglich ihre Herden geschützt haben. Wer seine Tiere nachts sich selbst überlässt, hat dieses Recht verwirkt.

Leider sorgen auch viele Medien für schlechte Stimmung gegen den Wolf. Ende Novembers 2018 will ein 55-jähriger Friedhofsgärtner im Kreis Rothenburg (Niedersachsen) bei der Arbeit von einem Wolf in die Hand gebissen worden sein – während Artgenossen in einiger Entfernung zugeguckt haben sollen. Die Nachricht bestimmte bundesweit die Schlagzeilen. Und nur wenige stellten den Vorfall in Frage – zu schön war die Gruselgeschichte. Und die wollten sich einige nicht durch kritische Nachfragen kaputtmachen lassen. Denn würde sie stimmen, wäre es der erste Wolfsangriff auf einen Menschen seit Rückkehr der Tiere nach Deutschland gewesen. Einige Tage später dann das Ergebnis von DNA-Untersuchungen. Es konnten keine Wolfsspuren nachgewiesen werden. Weder an der Hand und Kleidung des Gärtners, noch an einem Hammer, mit dem der Mann das Tier vertrieben haben will, noch auf dem Friedhofsgelände selbst. Es wird trotzdem nicht lange dauern, bis der nächste Vorfall hysterisch aufgebauscht wird.

Und während die Politik noch über Abschüsse und Problemwölfe schwadroniert, nehmen andere das Gesetz selbst in die Hand. Obwohl der Wolf nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt ist, wurden allein vergangenes Jahr in Deutschland acht Wölfe illegal geschossen. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Seit der Rückkehr der Tiere nach Deutschland starben damit 35 Wölfe durch Kugeln – und die Frage ist schnell zu beantworten, wer daran ein Interesse hat und über die nötigen Waffen verfügt. 200 weitere Tiere kamen seit dem Jahr 2000 im Straßenverkehr zu Tode.

Der Wolf braucht uns. Mischen Sie sich ein. Schreiben Sie bitte Leserbriefe an Medien und beziehen Sie Stellung für den Wolf.

Mindestens acht Wölf wurden 2018 in Deutschland illegal erschossen.