"Circus Voyage" und andere Zirkusse mit Wildtieren sind in Bergedorf nicht mehr erwünscht.

Zirkusse mit Wildtieren sind in Bergedorf nicht mehr willkommen. Dazu haben die Kommunalpolitiker in der Bezirksversammlung eine Resolution beschlossen. Zuvor waren Experten von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz und vom Hamburger Tierschutzverein im Wirtschaftsausschuss, die dieser geladen hatte, gehört worden.

Zu verdanken ist die Initiative gegen Wildtiere im Zirkus der Linken in Bergedorf. Sie hatte in die Bezirksversammlung Bergedorf einen Antrag eingebracht mit dem Ziel, Zirkussen mit Wildtieren den kommunalen Frascati-Platz zu verweigern. Der Platz ist bei Zirkussen, die Tiere in der Manege ausbeuten, beliebt. So gastierten hier bereits der „Zirkus Charles Knie“ oder der „Circus Voyage“. Der Ausschuss empfahl eine Resolution durch die Bezirksversammlung. Und die wurde dann auch beschlossen: „Alle Fraktionen sprechen sich aus ethisch-moralischen Erwägungen sowie zur Wahrung des Tierwohls grundsätzlich gegen Aufführungen mit Wildtieren aus. Die Fraktionen werden sich auf allen politischen Wegen dafür einsetzen, dass der Bundesgesetzgeber entsprechende Rechtsgrundlagen schafft.“

Dass es zu der Resolution kam, hängt damit zusammen, dass der von der Linken angestrebte Beschluss über ein Wildtierverbot aus Tierschutzgründen rechtlich leider auf ganz wackeligen Füßen gestanden hätte. Zwar sind die Urteile der Verwaltungsgerichte bisher nicht einheitlich, aber mehrheitlich wird argumentiert, dass Wildtierzirkussen der Auftritt auf städtischen Flächen nicht aus Tierschutzgründen verweigert werden kann, da sie eine Genehmigung für ihre tierfeindlichen Vorführungen haben, die bundesweit gilt. Deswegen hatten die Bezirkspolitiker den Antrag für ein Wildtierverbot in Bergedorf zunächst in den Wirtschaftsausschuss verwiesen, der dazu auch Experten von Gesundheitsbehörde und Tierschutzverein befragt hatte.

Unser Protestplakat gegen Tiere im Zirkus - es hing auch an mehr als 800 Stellen in der Stadt.

Erfolgversprechender für Verwaltungen ist es, um gegen Wildtiere im Zirkus vorzugehen, wenn sie mit der Gefahrenabwehr argumentieren, hatte im Ausschuss Frank Wieding, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Hamburger Tierschutzvereins, dargelegt. So hätte Hamburg auch bei „Circus Krone“, der im Herbst 2018 auf dem Heiligengeistfeld gastierte und gegen den der HTV eine Protestaktion organisiert hatte, eingreifen können. Denn bei dem Zirkus ereigneten sich auf der Tour im vergangenen Jahr mindestens zwei schwere Vorfälle. In Osnabrück stürzte eine Elefantenkuh während der Vorstellung in den Zuschauerbereich. Und im rheinland-pfälzischen Neuwied war ein Elefant ausgebrochen und lief unkontrolliert durch die Stadt. Aber die Hamburger Wirtschaftsbehörde hatte nicht eine einzige tierschutzrelevante Auflage erteilt, als sie mit „Krone“ den Vertrag für die kommunale Fläche auf St. Pauli schloss. Unverständlich in einer Stadt, in der die politische und gesellschaftliche Mehrheit nicht mehr möchte, dass Wildtiere in der Manege auftreten. Denn Hamburg hatte 2003 einen Bundesratsantrag initiiert mit dem Ziel, dass bestimmte Wildtiere im Zirkus nicht mehr auftreten dürfen. Eine bundesweite Umsetzung dieses Beschlusses und ähnlicher scheitert seit 2003 an der CDU-geführten Bundesregierung.

Grundlage für eine kommunale Regelung des Zirkus-Wildtierverbots ist eine rechtsgutachterliche Stellungnahme von 2015 aus dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, in dem ausdrücklich die Rechtskonformität kommunaler Verbote aus Gründen der Gefahrenabwehr dargestellt wird. Diese Stellungnahme wurde 2017 nach Urteilen in Lüneburg und Hannover ergänzt beziehungsweise konkretisiert. Dass trotzdem kommunale Wildtierverbote, die mittlerweile mehr als 100 Städte und Gemeinden beschlossen haben, im Einzelfall gerichtlich aufgehoben werden, liegt in der Regel daran, dass die meisten politischen Beschlüsse ausschließlich tierschutzrechtlich begründet sind.

Mehr als 300 Menschen kamen zum Protest gegen "Circus Krone", den der HTV organisiert hatte.

Doch zulässige verbotsbegründende gefahrenabwehrrechtliche Erwägungen sind besonders bei den Tieren anzunehmen, die nach Ansicht der Autoren der Zirkusleitlinien nicht in einem rollenden Betrieb adäquat gehalten werden können (u.a. Menschenaffen, Delfine, Greifvögel, Flamingos) oder aufgrund ihrer Größe, Schnelligkeit, ihrer körperlichen Kraft oder ihrer Beißkraft eine Gefahr für Personen und die Einrichtung darstellen. So gilt diese Argumentation nach Einschätzung von Experten also auch für jene Tiere, die der Bundesrat aus den Manegen verbannen will. Dazu zählen alle Affen, Bären, Elefanten, Nashörner, Flusspferde – eventuell aber auch Giraffen, die in der Bundesratsliste zunächst einmal deswegen auftauchen, weil sie aufgrund ihrer Größe nicht ohne gravierende Einschränkungen für die Tiere transportiert werden können. Großkatzen waren bisher bei den Verbotsplanungen im Bundesrat ausgenommen, was wir nicht nachvollziehen können. Unter sicherheitsrechtlichen Gesichtspunkten spielen sie sicherlich eine Rolle. Zuletzt hatte Anfang Dezember der Göppinger Gemeinderat (Baden-Württemberg) beschlossen, ein Verbot bestimmter Tierarten auf Grundlage der Gefahrenabwehr zu prüfen.

Der europäische Tierschutz-Dachverband Eurogroup for Animals weist in einem am 11. Oktober 2017 erschienenen EU-Bericht auf eine schockierende Anzahl von gefährlichen Zwischenfällen verursacht durch Wildtiere in Zirkussen hin. So ereigneten sich in den vergangenen 22 Jahren 305 Zwischenfälle mit mehr als 600 Zirkustieren, darunter auch einige mit tödlichem Ausgang. EU-weit wurden 86 Personen zum Teil schwer verletzt, 11 Menschen starben. Zahlreiche entlaufene Tiere wurden bei Verkehrsunfällen getötet oder aus Sicherheitsgründen erschossen. Von den EU-weit dokumentierten Zwischenfällen ereignete sich fast die Hälfte bei Zirkustieren in Deutschland. Damit ist Deutschland trauriger Spitzenreiter, was den fehlenden Schutz für Mensch und Tier im Zirkus anbelangt.

Der Hamburger Tierschutzverein hofft nun, dass sich andere Hamburger Bezirksversammlungen an der Bergedorfer Resolution ein Beispiel nehmen und sich ebenfalls gegen Wildtiere im Zirkus positionieren. Damit würde auch der Druck auf die Hamburger Wirtschaftsbehörde wachsen, bei der Vermietung des Heiligengeistfeldes endlich auch den Tierschutz maßgeblich zu berücksichtigen.

Die Fotos vom HTV-Protest gegen "Circus Krone" sehen Sie hier