Maiko

Liebe Menschen aus dem Tierheim in der Süderstraße,

ich bin der Maiko, ehemaliger rumänischer „Staatsbürger" und seit etwa einem Jahr in Deutschland. Vor neun Monaten bin ich in meine Familie gezogen und seitdem waschechter Hamburger. Also eigentlich ohne „wasch“, denn vom Hamburger Regenwetter halte ich nichts, auch nichts vom Aufstehen vor 9 Uhr – und wenn's dann noch dunkel und kalt ist, schon mal gar nicht.

Übermäßige Aktivität ist auch nicht so meins, dafür bin ich im Faulenzen ganz große Klasse.  Als ich im Februar in mein neues Heim gezogen bin, habe ich die ersten vier Wochen nur geschlafen – so erschöpft war ich von meiner Zeit im rumänischen Lager und der Aufregung durch die Umsiedlung nach Deutschland. Das viele Schlafen wurde dann mit der Zeit weniger und wechselte in ausgedehntes Abhängen und Snoozeln. Gern werde ich dabei gestreichelt, gekrault, geknuddelt oder sonst irgendwie betüddelt. Vom betüddelt werden bin ich ein gaaaaanz großer Fan.

Zum Geschäfte erledigen muss ich aber nun mal vor die Tür, das hatte ich (abgesehen von einem kleinen Zwischenfall) von Anfang an drauf. Auf ausgedehnte Spaziergänge lege ich in meinem Bewegungssparmodus nicht sehr viel wert. Nach max. 45 Minuten ist bei mir die Luft raus. Auch mit meinem gehandicapten Vorderbeinchen brauche ich dann eine Pause. Bei längeren oder Tages-Ausflügen achten meine Menschen sehr darauf, regelmäßige Päuschen einzuplanen – mal an Bänken, mal auf Wiesen, mal in einem Café. Hin und wieder überrasche ich auch mal mit spontanen Energieschüben, wenn ich wie angestochen losschieße, mit nichts mehr zu halten bin und mich unbändig über mein neues Leben und die Freiheit freue. So ein Energieschub hält maximal drei Minuten an, dann ist wieder Energiesparmodus angesagt ;).

Von der kulinarischen Seite würde ich für mein neues Zuhause fünf Sterne verteilen. Ich bekomme täglich frisch gekochtes Gemüse in wechselnder Vielfalt und dazu Fleisch aus der Dose, manchmal auch Hähnchen oder Rinderhackbällchen frisch gekocht J. Dazu viele Leckerchen, vor allem beim Training in Rahmen meiner Erziehung. Außerdem bin ich Bananenfetischist. Einen Punkt in der B-Note würde ich jedoch abziehen. Ich habe nämlich das Gefühl, dass an besonders trainingsintensiven Tagen in meinem Futternapf morgens und abends weniger ankommt. Für viel Training brauche ich mehr Kalorien, also sollten die Leckerchen doch zusätzlich sein, oder? Meine Menschen meinen, Bewegungsmuffel werden dann zu moppelig.

Nun ja, sonst sind sie super, meine Menschen. Frauchen ist die Abteilung kuscheln, schmusen, massieren nach langen Spaziergängen und betüddeln. Sie übt mit mir auch die meiste Zeit neue Sachen. Herrchen ist schwerpunktmäßig fürs toben und raufen zuständig. Männer unter sich halt. Zu dritt kugeln und kuscheln wir täglich nach dem Aufwachen im Bett meiner Menschen. Das finde ich ziemlich toll, vor allem an den Wochenenden, dann haben wir dafür viiiel Zeit. Sonst spielen wir das Holzhütchenspiel oder ich bekomme ein Leckerchen in einen blauen Gummiball gesteckt. Bis zu einer dreiviertel Stunde habe ich dann damit zu tun, es dort wieder rauszubekommen. Da bin ich hartnäckig und unnachgiebig bei der Sache.

Und dann ist da noch mein Meerschweinchen-TV: Da liege ich brav und gespannt vorm Meerschweinchenstall (die Schweinchen sind auch von Euch aus dem Tierheim) und hoffe auf Unterhaltung. Da die Schweinchen aber irgendwie genauso wenig von übermäßiger Aktivität halten wie ich (das ist hier das Familienmotto, deshalb passen wir alle so gut zusammen), ist das Programm oft so langweilig, dass ich davor einschlafe. Erst wenn die Schweinchen in eine Prügelei geraten, bin ich wieder hellwach, dann ist endlich mal was los. Vor mir scheinen sie keine Angst zu haben. Sie stehen an der Scheibe, zupfen an meinen Ohrfransen und wir schlafen oft Nase an Nase mit Scheibe dazwischen. Da Sicherheit jedoch vorgeht, ist Kontakt nur an der Scheibe erlaubt. Wenn ich im Wohnzimmer bin, dürfen die Schweinchen nicht frei laufen und umgekehrt, wenn sie frei im Wohnzimmer laufen, darf ich dort nicht rein. Schichtbetrieb sozusagen.

So ein zauberhaftes Kerlchen wie ich hat auch 'ne Ecke und Kante. Eine kleine ist, dass ich schon mal recht übermütig werde und die Grenzen nicht erkenne, wenn es mir zu gut geht. Aber ich lerne. Beim Toben mit Herrchen habe ich das richtige Maß inzwischen raus. Meine wirkliche und einzige Baustelle sind meine Artgenossen: 98% von denen kann ich nicht leiden und ich teile ihnen das unverblümt bei jeder Gelegenheit mit. Niemand weiß, was mir da in Rumänien in den engen Zwingern oder auf der Straße im ewigen Überlebenskampf widerfahren ist. Da hilft nur viiiiiiel Übung. Mit unendlicher Zeit, Geduld, Spucke und Leckerchen trainieren wir jeden Tag verschiedene Möglichkeiten, gut durch Hundebegegnungen hindurch zu kommen. Da tut sich auch einiges. Heute erst habe ich von Frauchens Freundin gehört, dass sie mich ja länger nicht gesehen und beim Spaziergang erlebt hat und deutliche Fortschritte zu sehen sind, auch wenn der Weg noch lang ist. Frauchen war da megastolz auf mich und auf uns alle, dass wir uns gemeinsam dieser Herausforderung stellen und trotz manchmal schlechter und sehr anstrengender Tage zu diesem Thema nicht aufgeben. Jeder für sich wächst daran. Uns als Team schweißt das täglich enger zusammen. Einen Hundekumpel fände ich wohl trotz meiner allgemeinen Abneigung gegen andere Hunde ganz gut. Von entspanntem und grundfreundlichem Gemüt sollte er/sie sein, mich nicht bedrängen und mir gaaanz viel Zeit lassen zum Kennenlernen. Ruhig, nicht so wild und mich mit meiner manchmal grummeligen Art so nehmen wie ich bin. Das ist bei den täglichen Hundebegegnungen auf der Straße nicht möglich.

Liebe Frau Knorr* und Kolleginnen von der Kranken- und Seniorenstation und an alle anderen helfenden und planenden Hände, vielen lieben Dank, dass Sie mich aufgenommen, aufgepäppelt, in mein neues Zuhause vermittelt und Frauchen und Herrchen anvertraut haben. Ich darf nun der absolute Liebling der Familie sein und eine ganz neue Welt weit weg von Rumäniens Straßen und Hundelagern entdecken.

Liebe Grüße
Maiko & Familie

P.S. Am Strand war ich auch schon. Da kann man prima im Schatten der Strandmuschel, mit einer leichten Brise um die Nase und dem Rauschen der Wellen in den Ohren schlafen ;).

*Christina Knorr ist Mitarbeiterin in der Kranken- und Seniorenstation für Hunde