Purzeline

Hallo liebes Tierheim-Team!

Ich bin Purzeline, ein Jahr alt und ein richtiger Löwe. Ich möchte Euch meine Geschichte erzählen. Im November 2019 war ich noch im Tierheim. Um mich herum waren unglaublich viele andere Kaninchen. Schnell wurde mir klar – wir alle waren von unseren Futterspendern abgegeben worden. Gründe gab es viele: keine Zeit, eine Allergie, ein Umzug … Verstanden habe ich das alles nicht. 

An einem Tag kam ein kleines Zweibein an meine Box und steckte seine Finger zu mir rein – neugierig wie ich bin, habe ich natürlich daran geschnuppert. Das kleine Zweibein war mit einem großen Zweibein da und hat ihm gesagt: “Mama, ich will dieses, können wir es gleich mitnehmen? Bitte!!!” Das große Zweibein hat sich jedoch noch laaaaaange umgeschaut und mindestens ebenso lange mit einem Zweibein gesprochen, das uns so lieb versorgt hat.

Und dann der Schock: Beide Zweibeiner sind wieder gegangen - ohne mich!!!

Ich habe das alles nicht verstanden – doch nach ein paar Tagen standen die beiden Zweibeiner wieder da. Ich habe mich schon ein bisschen gefreut: Ob ich wohl jetzt mitgehen darf? Und dann ging auf einmal alles ganz schnell: Zack, wurde ich in eine Box gesetzt und in einem brummenden Ding festgeschnallt und umhergeruckelt – ich hatte schon ein bisschen Angst, aber neben mir standen noch zwei andere Boxen. Ich habe die anderen zwei Kaninchen gerochen, konnte sie aber nicht sehen, trotzdem hat mir das ein wenig die Angst genommen. Und dann sind wir, wie ich jetzt weiß, in meinem neuen Zuhause angekommen.

Hier musste ich noch zwei Wochen in der Küche wohnen – das große Zweibein meinte, das ist sehr wichtig und heißt Quarantäne oder so ... Ich fand das echt langweilig und total klein, deshalb habe ich einfach versucht überall raufzuklettern – das war eine tolle Beschäftigung! Nur hat das große Zweibein ein bisschen geschimpft und gesagt, dass ich bitte nicht auf die Arbeitsplatte und den Herd steigen soll.

Dafür hat das kleine Zweibein mich schon damals immer verwöhnt und mir ganz viele leckere Sachen gegeben. So vergingen die zwei Wochen wie im Flug – nebenbei habe ich nun auch mitbekommen, dass die beiden anderen Kaninchen im Badezimmer wohnen – ebenfalls für die Quarantänezeit – die waren wohl schon im Tierheim zusammen. Total gemein, ich wollte doch auch nicht alleine sein.

Das hat das große Zweibein – ich werde sie ab jetzt liebevoll MUTTER nennen – auch gut verstanden. Und deshalb durfte nach der Quarantänezeit so ein kleiner panischer Zwerg zu mir ziehen – der war ziemlich witzig: Sobald ein Zweibein in der Nähe war, ist er los geflitzt, dass die Einstreu nur so durch die Küche gespritzt ist. Für ihn war das allerdings nicht so witzig, er hatte richtig viel Angst. Mutter hat zwar gesagt, dass er Spike heißt und wir Freunde werden sollen – aber sie hat ihn immer “Panik Panther” genannt.

Überhaupt hat Mutter nicht viel darauf gegeben, wer zutraulich und super war, wie ich, oder wer ängstlich war. Sie hat uns quasi den ganzen Tag vollgelabert, uns leckeres Essen gegeben und immer fein saubergemacht – Zweibeiner können manchmal ganz schön super sein.

Der Spike sieht ganz anders aus als ich – seine Ohren ähneln ein bisschen Flügeln und flattern auch so komisch, wenn er rennt – zum Schreien komisch. Allerdings hat uns das auch die Kommunikation miteinander etwas erschwert – aber so nach und nach haben wir gelernt uns zu verständigen. Bald haben wir gemerkt, dass zu kuscheln und sich gegenseitig zu putzen oder gemeinsam zu versuchen, aus der Küche auszubrechen, soviel mehr Spaß macht, als dies alles allein zu versuchen.

Nebenbei haben wir Mutter viel zugehört – jedenfalls zwischendurch – mannomann, ist das eine Labertasche, unfassbar. Sie hat auch erzählt, dass Spike nicht aus dem Tierheim gekommen ist, sondern dass er schon dreimal das Zuhause gewechselt hat, obwohl er erst zwölf Wochen alt ist, so wie ich. Bei der Angst, die Spike hatte, will ich gar nicht wissen, was der schon erlebt hatte. Und so habe ich auch mitbekommen, dass im Badezimmer gerade die Quarantäne verlängert wurde – denn einer von den beiden ist krank geworden. Mutter hat immer gesagt: “Der Kenny ist unser Sorgenkind – aber auch das bekommen wir hin. Nur muss die Vergesellschaftung halt noch ein bisschen warten.” Ver-was bitte??? Keine Ahnung, was das nun wieder sollte. Von Mutter haben wir erfahren, dass die Badezimmer-Kaninchen Genie und Kenny heißen und dass der Kenny einen Schnupfen bekommen hat. Als Kaninchen weiß ich natürlich, dass so ein Schnupfen bei uns ganz gefährlich ist, denn wir atmen ja nur durch die Nase. Und wenn so ein Schnupfen nicht schnell und richtig behandelt wird, dann kann das schnell zu einer Lungenentzündung führen. Und ansteckend ist das auch ganz dolle …

Nach weiteren Wochen in der Küche kam dann aber tatsächlich der große Tag: Kenny wurde wieder gesund bzw. hatte er keine Symptome mehr – und wir durften endlich umziehen. Das war eine Party, das kann ich Euch sagen!

Plötzlich waren wir zu viert – und wir durften in ein anderes Zimmer: ins Wohnzimmer. Ja, an so einem Ort möchte man gerne wohnen. Viel Platz und soooo viele Sachen zum Draufsteigen – das war ein großer Spaß. Und endlich konnten wir Kenny und Genie kennenlernen. Ganz unter uns, Genie ist eine alte Ziege. Sie war damals schon uralt, vier, und ist jetzt mindestens einige Jahre älter. Sie muss immer der Boss sein, echt doof. Aber Kenny ist super, der ist nur ein paar Wochen älter als ich. Wir kuscheln viel und seine Ohren flattern auch nicht so komisch, wie die von Genie und Spike. Vielleicht haben wir uns deswegen gleich so gut verstanden. Und vielleicht haben sich Genie und Spike so gut vertragen, weil sie beide so komische Ohren haben.

So waren wir eine ganze Weile total zufrieden, es gab immer reichlich zu futtern und mit den beiden Zweibeinern wurden wir auch immer vertrauter. Nur eines ist etwas ärgerlich: Von ihrem Futter wollen uns die Zweibeiner einfach nichts abgeben. Ich finde das nicht ok. Deshalb gehe ich auch immer auf dem Tisch gucken, ob sie nicht vielleicht doch etwas stehengelassen haben. Mutter schimpft dann immer. Was das soll, verstehe ich auch jetzt noch nicht: Bauchweh bekomme ich, sagt sie – pfffft, na und? Ich will trotzdem echt unbedingt probieren ... wirklich – aber nö, keine Chance. Ich werde dann mit Gurke und so abgespeist – bah! Nur ganz selten, darf ich tatsächlich mal probieren. Vom Granat-irgendwas durfte ich naschen und Trauben gab es auch mal. Aber einen Apfel lässt Mutter dann doch ab und zu auf dem Tisch stehen – das ist super.

Im Frühling habe ich ganz stolz mein erstes Nest gebaut – total toll – ausgepolstert mit wunderbar viel Bauchhaar, natürlich selbst ausgerupft. Mutter meinte, das sei zu dieser Jahreszeit normal und man soll das Nest in Ruhe lassen. Genau! Finde ich auch. Fand Kenny aber nicht und hat mein Nest ausgegraben – ja, spinnt der denn? Das hat mich ganz schön gestresst – und weil wir schließlich frei in der Wohnung umherlaufen können, habe ich einfach woanders gebaut: im Flur, hinter der Tür. Das ist gut geworden. Mutter war sehr erstaunt, als sie morgens in meine Heuspur getreten ist.

Doch die Nester waren mir nicht genug: Ich wurde immer gestresster, musste alle in der Gruppe nerven und berammeln, obwohl ich das eigentlich nicht darf – der Rang und so – da bin ich wohl die Rangniedrigste. Da habe ich von allen ganz schön Haue bekommen – total doof. Und dann hat mich Mutter wieder in die Kiste gesteckt – fürchterlich! Sogar mehrmals – und immer ging es in dem Brummteil zu einer sogenannten ‚Tierärztin‘. Die war sowas von gemein – sie hat mich gepikt, mich überall abgetastet und lange mit Mutter gesprochen.

Und am Ende des Sommers, als ich immer noch so gestresst war und immer noch alle drei Wochen Nester gebaut habe – und vor allem auch die Wohnung durch tolle Urinspritzer überall verschönert habe – musste ich wieder zu dieser Tierärztin. Dort bin ich eingeschlafen und mit grässlichen Bauchschmerzen wieder aufgewacht. Mutter hat mich mit nach Hause genommen und mir Schmerzmittel gegeben – alle zwei Stunden hat sie mich mit Futter genervt, aber ich wollte nix, das war mir alles zu viel. Mutter hat mir erklärt, dass ich kastriert wurde, weil mein Verhalten sehr auffällig war – und dass solch ein Verhalten auf Krankheiten an der Gebärmutter hinweist, dass es mir bald bessergehen würde und ich bitte endlich fressen soll, denn sonst müsste sie mich päppeln.

Nachdem sie mich dann eine ganze Nacht so genervt hat, habe ich mich hinreißen lassen und doch wieder angefangen zu fressen. Denn, wer weiß schon, was dieses „Päppeln“ ist – das will ich nach dieser Tortur gar nicht wissen … Mutter war überglücklich und erleichtert, dass ich von selbst wieder gefuttert habe. Und tatsächlich ging es mir bald schon wieder besser. Plötzlich muss ich keine Nester mehr bauen – und ich bin auch nicht mehr so gestresst. Das haben wir alle in der Gruppe erst so nach und nach verstanden. Es ist deutlich ruhiger geworden, viel entspannter –und ich kann sogar neben Genie schlafen, ohne dass wir uns ärgern.

Und da ich jetzt so entspannt bin, kann ich auch von dem großen Krach erzählen, den die beiden Jungs sich geliefert haben: Das war nämlich auch im Frühling – kurz nachdem ich meine ersten Nester gebaut hatte. Die Jungs, Kenny und Spike, sind eigentlich total friedlich, beide kastriert und waren wirklich gut befreundet. Was der Auslöser für ihren großen Streit war, das weiß ich bis heute nicht. Ich habe ein paar Vermutungen, aber sicher bin ich nicht. Kenny hat nämlich zu der Zeit Medikamente bekommen: Antibiotika, sagt Mutter – und er war wohl deshalb etwas geschwächt. Er hat diesen Schnupfen nämlich chronisch, hatte sich nach unserem ersten Weihnachten hier herausgestellt. Und Kenny war eigentlich immer der Stärkere … Vielleicht hat Spike versucht ihn zu unterdrücken, oder Spike war einfach nur frech und hat Kenny Futter geklaut oder so – genau weiß ich das nicht. Auf jeden Fall sind dann gewaltig die Fetzen geflogen bzw. Fell und Köttel in Mengen – und Kenny wurde auch so richtig gebissen, mit Blut und so. Gruselig. Trotz seiner Wunden hat Kenny immer wieder angegriffen – immer und immer wieder. Mutter war echt verzweifelt und hat so unglaublich viele Leute angerufen, ist andauernd mit Kenny zum Arzt gefahren, um die Wunden prüfen zu lassen. Zum Glück war alles nur oberflächlich und nicht bedrohlich für seine Gesundheit.
Mutter hat dann umgeräumt und Kenny eine Ruhezone im Schlafzimmer eingerichtet. Trotzdem haben die beiden weiter gekämpft – bis Kenny irgendwann aufgehört hat anzugreifen. Dann hat Spike ihn noch eine ganze Zeit gejagt, Kenny hat also ganz deutlich seinen höheren Rang abgeben müssen. Auch heute jagt Spike den kleinen Kenny noch ab und zu. Aber zum Glück haben wir ganz viel Platz und können uns auch gut aus dem Weg gehen. Wir haben viele Futterplätze, sodass jeder futtern kann, ohne dabei unbedingt neben dem anderen zu sein. Und wir haben ganz viele Verstecke. Mittlerweile können Kenny und Spike wieder nebeneinander futtern, vor allem, wenn es den leckeren Schnupfenbrei gibt, den wir alle drei Tage von Mutter bekommen. Denn wenn ein Kaninchen in der Gruppe chronischen Schnupfen hat, dann sind alle anderen auch infiziert – auch wenn es bei ihnen nicht ausbricht. Deshalb bekommen wir alle diesen leckeren Brei. Der ist auch ein bisschen scharf, weil da Ingwer und Rettich drin sind, aber trotzdem total lecker und wir stürzen uns alle drauf.

Das erste Jahr war also total turbulent in unserem neuen Zuhause. Unsere Zweibeiner sind super toll, denn Mutter gibt nie auf und versucht wirklich alles, jede Situation zu meistern – auch wenn wir ihr wirklich viele schlaflose Nächte gebracht haben.

Und das kleine Zweibein ist ganz vorsichtig und gibt uns heimlich mehr Leckerlis, wenn Mutter nicht hinschaut. Es erklärt auch all ihren Freunden, was wichtig ist, wenn man Kaninchen hat. Zum Beispiel, dass nur im Kinderzimmer getobt werden darf und nicht im Wohnzimmer. Und dass nur draußen gebrüllt und geschrien werden darf, denn unsere Ohren sind so empfindlich. Und auch, welche Kräuter wir fressen dürfen, das weiß das kleine Zweibein schon ganz genau. Kurzum – egal, was da noch kommen mag – unsere Zweibeiner geben wir nicht mehr her!

Der Angsthase Spike, der Mutter den einen oder anderen Schock beschert hat, weil er aus dem Nichts losgefetzt ist, wenn sie den Raum betreten hat, ist mittlerweile ein kleiner Kuschelhase und traut sich sogar auf das Sofa – und das ist nicht OK, denn das ist mein Platz!

Genie ist fast immer bei Mutter – die Schleimerin – aber Mutter freut sich so darüber, also was soll‘s.

Kenny ist immer noch das Sorgenkind und Mutter beobachtet ihn sehr genau: Sobald er niest, geht es ab zum Tierarzt, der Arme! Aber dafür bekommt er auch immer besondere Sachen zu futtern, da kann man schon neidisch werden.

Und ich, ich fühle mich hier sauwohl. Jetzt muss ich Mutter nur noch davon überzeugen, dieses Gitterteil vor dem Kinderzimmer wegzumachen – wirklich, Bücher sind doch voll lecker und ich werde bestimmt noch viel schlauer, wenn ich noch ein bisschen mehr davon knabbere. Zudem falle ich auch zwischen den Kuscheltieren vom kleinen Zweibein gar nicht auf – ich darf mich nur nicht bewegen.

Klar ist, wir bleiben hier! Mutter sagt, wir sind eine kleine verrückte Familie. Und sie sagt, dass sie gerne hätte, dass es mehr solch kleine verrückte Familien gibt. Deshalb ist sie auch ein kleiner Stalker - echt, die hält uns in den unmöglichsten Momenten eine Kamera ins Gesicht und ich denke jedes Mal, jetzt gibt es was Feines zu futtern – nein, es ist nur wieder dieses Teil! Für YouTube, sagt Mutter – um anderen zeigen zu können, was Kaninchen wirklich brauchen und dass man über Kaninchen nie ausgelernt hat. Deshalb hat sie unseren Kanal auch „Kaninchenerfahrung“ genannt. Jaja, das mag ja alles toll sein – trotzdem werde ich dieses Filme-Teil fressen, wenn ich es mal zu fassen bekomme.

In diesem Sinne: Ein frohes neues Jahr – mit bestimmt wieder so vielen turbulenten Tagen, wie im letzten Jahr, und hoffentlich weniger Verletzungen. Euch wünsche ich ganz viele tolle Tage, bleibt alle gesund!

Und wenn Ihr mehr von uns sehen wollt, schaut doch mal bei Kaninchenerfahrung auf YouTube vorbei.

Liebe Grüße
Purzeline