Ferdinand

Vor knapp drei Jahren war Ferdinands trauriges Schicksal für einige Wochen Thema in der norddeutschen Presse. Das Medieninteresse an Ferdinand war unser Glück. Denn ohne die Artikel in der Holsteiner Presse hätten wir nie von ihm erfahren. Nach einer wahren Odyssee hatte ihn der Hamburger Tierschutzverein im Herbst 2019 aufgenommen und als er nach einigen Wochen noch kein neues Zuhause gefunden hatte, beschlossen wir, ihn zu besuchen – und alles Weitere auf uns zukommen zu lassen.

Ferdinand ist blind. Liebe auf den ersten Blick konnte es deshalb nur von unserer Seite sein. Eigentlich. Um es kurz zu machen: Zum dritten gemeinsamen Spaziergang brachten wir unsere Hunde mit (Parson Russell Terrier und Australian Shepherd). Man verstand sich auf Anhieb, Ferdinand wurde mit- und ins Rudel aufgenommen. 

Hunde gehören bei uns seit Jahrzehnten zur Familie. Aber ohne  jegliche Erfahrung mit einem ihrer blinden Artgenossen hatten wir doch ein wenig Respekt vor dem, was da auf uns zukommen würde. Es kam so gut wie nichts: Beim Herabsteigen besonders glatter Treppen braucht Ferdinand Unterstützung und er ist in manchen Situationen angeleint, in denen sehende Hunde es nicht unbedingt sind. Ansonsten lebt er fast ein Leben wie der Rest seines Rudels. In Haus und Garten orientiert und bewegt er sich zielsicher, in geeignetem Gelände macht er gern auch unangeleint lange Spaziergänge. Da er sich die Welt erschnüffelt und ertastet, ist er dabei natürlich nicht einer der Schnellsten. Das wichtigste Kommando auf unseren gemeinsamen Touren ist „Achtung!“ zur Vermeidung von Kollisionen. Er stoppt dann blitzartig. Die Frage „Willst du an die Leine?“ beantwort er, indem er entweder stehen bleibt oder weitergeht.

Ferdinand hat eine kulinarische Vorliebe: Kaffee. Wir merkten schnell, dass ihn dessen Duft magisch anzieht. In Absprache mit seiner Tierärztin schlabbert er nun täglich eine halbe Tasse koffeinfreien Hafermilch-Kaffee. Der Ruf „Käffchen!“ aus der Küche reicht  – und schon ist er da.

Bei seiner Ankunft im Tierheim 1999 war Ferdinand, übrigens ein Vertreter der Hütehunderasse "Altdeutscher Tiger“,  laut der dortigen Veterinäre circa 15 Jahre alt, dürfte demnach heute etwa stolze 18 sein. Das wegen extrem hohen Innendrucks befürchtete Entfernen der Augen konnten wir abwenden. Das besonders stark betroffene rechte wurde von einem Spezialisten verödet, der Druck des anderen halten wir mittels Augentropfen auf normalem Niveau. 

Ansonsten ist Ferdinand kerngesund, verspielt, wachsam – und gibt weit mehr als er nimmt: Seine absolute Gelassenheit und die trotz Behinderung ungebrochene, ja unbändige Lebensfreude strahlen auch auf uns aus und machen unser Leben ein wenig reicher. Dafür sind wir ihm sehr dankbar.