Pressemitteilung vom 29. Juli 2022
Bereits vor den Sommerferien schlug der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV) Alarm und bereitete sich auf die alljährliche Aussetzungswelle von Tieren im Zuge der Sommerferien vor. Es ist erst die Hälfte der Sommerferien um und der HTV zieht eine düstere Bilanz: Seit dem 07. Juli 2022 wurden 109 Tiere mutmaßlich ausgesetzt – darunter acht Hunde, 38 Katzen, 21 Kaninchen und 17 exotische Vögel wie Wellensittiche oder Kanarienvögel.
Unter diesen Aussetzungen befinden sich auch Tiere, die ganz offensichtlich einem ungewissen, lebensbedrohlichen Schicksal überlassen oder gar zum Sterben ausgesetzt wurden. Diese Fälle möchte der HTV strafrechtlich verfolgen. „Wir wissen gar nicht mehr, wo wir anfangen sollen“, so Tierschutzberaterin Gina Lularevic über die Anzahl der sich häufenden Tierrechtsverletzungen.
Aussetzungen betreffen nicht nur kranke oder alte Tiere: „Es ist leider wirklich alles dabei, was man irgendwie käuflich erwerben und als Haustier halten kann – das fängt beim Hamster an und endet beim Modehund“, so Lularevic. „Der ausgesetzte Zwergspitz ist der Stereotyp für einen Corona-Hund: Anfang 2020 geboren und einer Trend-Hunderasse zugehörig – vielleicht sogar aus dem illegalen Welpenhandel“, erklärt die Tierschutzdetektivin weiter. Der junge Spitz wurde an ein Fahrrad gebunden in Hamburg-Barmbek aufgefunden. Aber auch Kleintiere blieben von derartigen Entsorgungen nicht verschont: Zwei Wellensittiche wurden zusammen mit ihrem Futter in einer Box vor einem Wohnhaus auf St. Pauli sich selbst überlassen, vier Ziertauben in einem Karton vor einem Horner Discounter abgestellt. Auch eine Schildkröte wurde gemeinsam mit einem Aquarium voller Fische in einem Innenhof in Hamburg-Stellingen abgestellt und ihrem Schicksal überlassen.
Viele tote Tierbabys: HTV startet Fahndungsaufruf und sucht Verantwortliche
Der HTV versucht mit seiner Tierschutzberatung die besonders schwerwiegenden Tierrechtsverletzungen und Aussetzungen zu verfolgen und zur Anzeige zu bringen – nicht nur um die Täterinnen und Täter zur Rechenschaft zu ziehen, sondern auch um sie abzuschrecken, dasselbe weiteren Tieren anzutun, und um ein Zeichen zu setzen, dass Aussetzungen kein Bagatelldelikt sind – insbesondere dann nicht, wenn die Tiere in akuter Lebensgefahr ausgesetzt werden. Darüber hinaus können über die ursprünglichen Besitzerinnen und Besitzer Informationen über die Tiere eingeholt werden, die für die Vermittlung hilfreich sind. In den folgenden drei Fällen ist die Tierschutzberatung des HTV auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen: Wer kennt die Täterin oder den Täter?
Drei ausgesetzte Kaninchen-Junge haben nicht überlebt
Drei weiße Zwergkaninchen wurden am 24.07. vor dem Nebeneingang des HTV in einem Karton ausgesetzt und von einem Mitarbeiter entdeckt. Die drei waren erst circa drei Wochen alt. Trotz intensiver Versuche der Tierpflegerinnen und Tierpfleger, die Jungtiere aufzupäppeln, verschlechterte sich ihr Zustand rapide. Es zeigten sich typische Symptome der Kaninchen-Seuche Myxomatose - unter anderem ein Anschwellen der Augen - woraufhin eines der Kaninchen verstarb und die anderen beiden nur noch erlöst werden konnten.
Kranke Katzenmama mit Welpen ausgesetzt – nur einer überlebte
Eine Langhaar-Mischlings-Katze wurde am 15.07. in Hamburg-Hausbruch in einem Karton im Park gemeinsam mit ihren zwei Welpen gefunden. Obwohl sie zunächst einen munteren, wenn auch geschwächten Eindruck machte, baute sie sehr schnell gesundheitlich ab und musste euthanasiert werden. Aufgrund der tierärztlichen Untersuchung und weiteren Bluttests stellte sich heraus, dass sie sich bereits vor der Aufnahme im HTV mit einer unheilbaren Krankheit, dem sogenannten FIV (auch Katzen-AIDS genannt), angesteckt hatte, sodass sich ihr Zustand trotz intensiver medizinischer Behandlung rapide verschlechterte. Dasselbe Schicksal ereilte ihren schwarzen Katzenwelpen, der ebenfalls nur noch erlöst werden konnte. Der HTV bangt aktuell um das Leben des getigerten Welpen. „Vermutlich war nicht nur die Überforderung mit den Welpen, sondern insbesondere auch die Krankheit der Grund für die Aussetzung“, befürchtet Lularevic „Viele Menschen stecken aktuell in finanziellen Schwierigkeiten und können sich die zusätzlich entstehenden Tierarztkosten nicht mehr leisten.“
Vier Katzenwelpen mit gefährlicher Augenkrankheit ausgesetzt
Vier Katzenwelpen wurden am 22.07. in Hamburg-Rahlstedt beim Kriegerdenkmal in der Remstedtstraße in einer Transportbox gefunden und zum HTV gebracht. Ihr schlechter Zustand verrät, dass die gerade einmal acht Wochen alten Katzenwelpen in ihrem Leben noch nie eine Tierarztpraxis gesehen haben und sich selbst überlassen wurden. Bei ihrer Ankunft litten sie an Katzenschnupfen mit eitrigen, verklebten Augen sowie Ohrmilben und Flohbefall. Während ihrer Zeit im HTV entwickelte sich ihr Gesundheitszustand bereits gut.
Wer kann Hinweise geben?
Der HTV bittet nun dringend um Hinweise, um eine vielversprechende Anzeige stellen zu können: Wer hat zum jeweiligen Tatzeitpunkt der drei Fälle auffällige Personen oder Handlungen beobachtet? Wer kennt die Tiere – oder wer weiß, dass die entsprechenden Tiere nicht mehr in ihrem Zuhause sind? Bitte wenden Sie sich an die HTV-Tierschutzberatung: montags und mittwochs von 10 bis 14 Uhr telefonisch unter der 040 211106-25 oder per E-Mail an
Das Aussetzen eines Tieres stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 4 TierSchG mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro bestraft werden. Im Einzelfall, wenn der Tod oder schwere Verletzungen des Tieres durch die Umstände der Aussetzung billigend in Kauf genommen werden oder das Tier durch die Aussetzung und deren Folgen sogar zu Tode kommt, handelt es sich um eine Straftat gem. § 17 TierSchG. Diese kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Der HTV appelliert zudem an alle Tierhalterinnen und -halter: „Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Tier bis zum Ende!“ Wer in eine Notsituation kommt, soll den Mut aufbringen und um Hilfe bitten. Man darf nicht vergessen: Viele ausgesetzte Tiere werden niemals gefunden und versterben – oder sie werden in einem so schlechten Zustand gerettet, dass sie nur noch von ihren Leiden erlöst werden können.