Laut Schätzungen der vergangenen Jahre gibt es etwa 10.000 Streuner auf Hamburgs Straßen und etwa zwei Millionen in Deutschland. Die HTV-Katzenrettung betreut mit ehrenamtlicher Hilfe rund 400 Streunerkatzen im Jahr. Wir interviewten unsere Ehrenamtlichen, die sich um die Streuner Lemmy, Lilly, Lya und Luna in Billstedt kümmern.
Wie seid ihr dazu gekommen, freilebende Katzen zu versorgen und fällt es schwer, dabei zu bleiben?
Anja: Schon lange bevor ich mit dem Füttern angefangen habe, hatte ich vom Straßenkatzenelend gehört und damit geliebäugelt, hatte aber immer Angst, dass ich wegen vieler anderer Verpflichtungen nicht verlässlich genug sein könnte. Am Katzenstand des Tierheims beim Tag der Offenen Tür habe ich mehr über die Problematik gelernt und von Futterplätzen in meiner Nähe erfahren. Habe zuerst als Springer begonnen und später einen festen Tag übernommen. Bin dadurch so sehr in die Versorgung "hineingewachsen", dass ich mich verantwortlich fühle für „meine“ Streuner und nie ohne einen richtig triftigen Grund absagen würde. Bei Kälte, Regen etc. denke ich mir: ich muss nur kurz raus in das Unwetter, die Katzen müssen das IMMER ertragen.
Nicole: Ich habe in einem Such-Aufruf des HTV für neue Helfende über das Streunerelend gelesen und mich daraufhin als Fütterin „beworben“. Weil ich Katzen sehr liebe, wollte ich dabei sein. Nun bin ich Teil einer tollen Gemeinschaft, die sich die Fürsorge um ein paar Straßenkatzen teilt. Jeder hat „seinen“ Tag, mal zu tauschen läuft problemlos, und einige von uns füttern sogar an zwei Plätzen.
Müssen besondere Voraussetzungen erfüllt werden, um „Mitglied“ einer Füttergruppe zu werden?
Birgit: Nein, wir brauchten keine spezielle Katzen- oder Tierkenntnis. Eine Dose öffnen und Wasser wechseln ist ja nicht schwierig. Wir bringen heißes Wasser mit, um die Näpfe zu reinigen, und kaltes um das Trinkwasser zu wechseln. Ab und zu stellt Karola ihre Wildkamera auf, damit wir sehen ob alles in Ordnung ist. Der Job ist nichts für jemanden, der gerne mit Katzen agieren möchte, weil man Streuner ja normalerweise nicht zu Gesicht bekommt - sie sind zu scheu. Zwei unserer Katzen sehen wir mittlerweile manchmal, sie haben sich an uns gewöhnt, bleiben aber immer in sicherem Abstand. Falls wir mal bei einem unserer Streunerchen das Gefühl haben, dass es ihm nicht gut geht, dann rufen wir die Experten von der Katzenrettung, von denen wir auch das Futter kriegen.
Steffi: Es ist natürlich wichtig, das wir uns an Recht und Ordnung halten und immer freundlich bleiben, wenn wir angesprochen werden - aber das sollte selbstverständlich sein. Unser Futterschuppen liegt auf einem Privatgrundstück: was der Grundstückseigentümer erlaubt oder nicht, darauf müssen wir Rücksicht nehmen. Wir dürfen ja keinen Ärger mit seinen Nachbarn oder für das Tierheim herauf beschwören. Das heißt zum Beispiel: wir müssen unseren Müll mitnehmen, nicht zu viel füttern um keine Ratten anzulocken und der HTV darf nur eine für Privathaltung „übliche“ Anzahl Katzen dort unterbringen.
Warum findet ihr eine Kastrationspflicht wichtig?
Nicole: Wir betreuen selbstverständlich vom Tierschutz kastrierte Katzen. So gibt es auf unserem Platz keinen Nachwuchs, keine Prügeleien, und unsere Katzen laufen auch nicht weit weg. Wieso ist den Halter:innen nicht klar, dass sie der Gesundheit ihrer Katze schaden, wenn sie sie unkastriert lassen? Die Einstellung, „die soll doch auch ihren Spaß haben“, ist nicht nur unsinnig, sondern zeugt von mangelndem Wissen. Der Paarungsdrang ist ein stressverursachender, unangenehmer Teil ihres Lebens. Wie ist es mit Tierliebe vereinbar, seinen Schmusetiger ständig den Gefahren von unvorsichtig weitläufigen Partner-Suchaktionen auszusetzen? Und dabei billigend in Kauf zu nehmen, dass er getötet, bei Revierkämpfen verletzt wird oder sich mit tödlich endenden Geschlechtskrankheiten infiziert? Ich empfinde das als Tierquälerei. Die hormonbedingte Wesensveränderung vom zahmen und menschenbezogenen süßen Kätzchen zur geschlechtsreifen Katze bedeutet psychische Qualen, die sich durch schreien, markieren oder aggressivem nach draußen drängen äußern. Auch für die Besitzer nicht schön. Und wenn sie für die ungewollten Katzenkinder kein neues Zuhause finden, werden die Kleinen wie Müll entsorgt oder die Katzenmütter samt ihren Kindern ausgesetzt und damit für etwas bestraft, was ihr Mensch verbockt hat. Erbärmliches, verantwortungsloses Handeln. Ich verstehe das nicht, die Kosten sollte doch jeder für sein geliebtes Tier übrighaben, anstatt tausend andere persönliche Dinge als wichtiger ansehen.
Warum findet ihr eine Chip- und Registrierpflicht wichtig?
Anja: An unseren Futterstellen tauchen immer mal wieder fremde Katzen auf. Ein Beispiel: Kater - kastriert, gesund und fit aussehend, nicht allzu hungrig und außerdem zahm. Leider aber nicht gechippt, eine aus der Gruppe hatte das mit ihrem Lesegerät überprüft. Anfragen in der Nachbarschaft und in „Katze Vermisst“-Gruppen brachten nichts. Er wurde eine Weile gesehen und war dann wieder weg. Also doch nur ein neugieriger Abenteurer mit festem Wohnsitz in der Nähe? Drei Monate später tauchte er wieder auf: wesentlich magerer und hungriger. Er wirkte zwar immer noch gesund, eine solche Abmagerung kann aber üblere Gründe als etwa hohes Alter haben. Das sollte abgeklärt werden, denn leider ignorieren viele Halter die ersten Krankheitszeichen und gehen zu spät zum Tierarzt. Soll ich ihn nun ins Tierheim bringen und riskieren, dass er unter Umständen nie wieder in sein Zuhause kommt, wo er eigentlich gar nicht vermisst wird? Ich muss, denn ich stehe auf dem Standpunkt, lieber einmal zu viel eingesammelt, als einmal zu wenig. Ich würde mir Vorwürfe machen, wenn es in weiteren drei Monaten zu spät für ihn ist und ich seinen Tod hätte verhindern können. Und da er nicht registriert ist, habe ich eben keine andere Möglichkeit. Wenn es Menschen gibt, die ihn vermissen, müssen sie ihn nun im Tierheim suchen und dann kann ihnen dort erklärt werden, dass mit registriertem Chip das Einsammeln nicht passiert wäre. Denn ich hätte beim Register nachfragen können, ob er in der Nähe wohnt. Lange Rede, kurzer Sinn: mit einem registrierten Chip hätte ich ihm und seinen Haltern einen Ausflug ins Tierheim ersparen können.
Was wünscht ihr euch von anderen Menschen?
Theresa: Bitte schaut nicht weg und bitte glaubt nicht, dass jede Katze draußen nur ein Freigänger ist oder, nur, weil sie „noch“ gut ausschaut, keine Hilfe benötigt. Scheue Katzen zeigen vor Menschen nicht, wie es ihnen geht. Übernehmt Verantwortung für Tiere, die unverschuldet in diese Situation gekommen sind. Wenn sie kaum mehr fressen können, weil Zähne und Maul weh tun, klappt es auch nicht mehr so mit der Fellpflege. Wenn sie also mager und vernachlässigt aussehen, ist es oft zu spät, Hilfe zu leisten und sie können nur noch erlöst werden. Aber: wie soll man sie fangen, wenn sie sich nicht mit Futter in eine Falle locken lassen? Die Straße ist grausam - muss es wirklich sein, Katzen so leiden zu lassen?
Karola: Wenn ihr den Eindruck habt, in der Nähe leben Katzen ohne Zuhause: bitte im Tierheim melden. Füttern alleine reicht nicht. Die Tiere müssen eingefangen und kastriert werden um die Vermehrungsspirale zu durchbrechen, außerdem benötigen sie auch trockene warme Unterkünfte. Und denkt nicht: „Ist nicht so schlimm, da sind nur zwei, drei. Katzen sehen sich sehr ähnlich und viele Streuner sieht man gar nicht. Wenn die Katzenrettung anfängt, werden ganz schnell aus einer getigerten Katze fünf, aus einer schwarzen zehn. Und wenn wir fertig sind – sind es 20.
Was wünscht ihr euch von der Politik?
Yvonne: Liebe Abgeordnete, beschließt eine Katzenschutzverordnung! Und die Zuständigkeit für frei lebende Katzen sollte nicht ausschließlich ehrenamtlich Helfenden aufgebürdet werden. Vereine brauchen Unterstützung. Privatpersonen, die sich dem Katzenschutz widmen, müssten das ohne Nachteile zu befürchten, tun können. Bisher wird gesagt: wer eine frei lebende Katze füttert, wird Besitzer des Tieres und ist verpflichtet, die Kosten für die Kastration zu tragen. Auch darf die Person keine Spenden erhalten, das wird in der Steuererklärung als Einnahme gewertet. Es darf doch nicht sein, dass Mitleid und Engagement bestraft wird? Das verhindert Tierschutz!