Spannende Themen, inspirierende Diskussionen und engagierte Tierschutzmenschen: Der Einladung zum Kongress „Mehr Tierschutz für Hamburg“ der Grünen Fraktion Hamburg am 10. Januar 2025 sind wir sehr gerne gefolgt. Sieben Podiumsdiskussionen zu aktuellen Tierschutzthemen standen auf dem Programm. Unser Vorstandsmitglied Stefanie Bauche und unsere Tierheimleitung/Tierärztliche Leiterin Dr. Urte Inkmann waren als Vortragende am Start. Am Ende des folgenden Beitrags finden Sie einige Diskussionsrunden zum Nachschauen.

Die Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) Anna Gallina eröffnete in Vertretung der erkrankten Initiatorin des Tierschutzkongresses Lisa Maria Otte (Bürgerschaftsabgeordnete und tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion Hamburg) die Veranstaltung. Die Tierschutzbeauftragte der Bundesregierung Ariane Désirée Kari machte zum Auftakt des Kongresses anhand von eindrücklichen Beispielen aus dem Bereich Tiertransporte und sogenannter Nutztierhaltung auf die immer noch prekäre Lage des Tierschutzes in Deutschland - trotz des vorhandenen Tierschutzgesetzes – aufmerksam. Sie erwähnte dabei auch unsere Tierschutzarbeit und unser Tierheim, das sie bei einem Besuch am Vortag kennengelernt hatte.

Tierheime am Limit – Der Haustier-Boom und seine Folgen
In der Gesprächsrunde zum Thema „Tierheime am Limit“ mit Jenny Schlosser (Leitung Abteilung für Politik beim Deutschen Tierschutzbund), Frank Weber (Leiter Franziskus Tierheim) und Senatorin Anna Gallina sprach auch unsere Tierheimleitung und Tierärztliche Leitung Dr. Urte Inkmann in Vertretung unserer 1. Vorsitzenden Janet Bernhardt über die Lage der Tierheime in Hamburg. Moderatorin Tanja Busse (Journalistin und Autorin) führte durch den spannenden Austausch. Sowohl Dr. Urte Inkmann als auch Senatorin Gallina zeigten sich erfreut über den Ausgang unserer Vertragsverhandlungen mit der Freien und Hansestadt Hamburg, nach dem wir nun mit einem neuen Vertrag für unsere Leistungen für die Tiere der Stadt fair entlohnt werden. Beide betonten aber auch die Anstrengungen und langen Gespräche, die der Vertragsabschluss vorab erfordert hatte. Frank Weber, dessen Tierheim dem Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V. angehört, fand deutliche Worte zu den Problemen, vor denen die Tierheime stehen: Tiere müssen versorgt und geimpft, die Eigentumsverhältnisse geklärt und gegebenenfalls neue Halter*innen gefunden werden. Ebenso betonte er, dass es mehr Kenntnis bei Halter*innen von Hunden bedürfe und dringend auch Plätze für schwierige Hunde geschaffen werden müssten. Erneut richtete er einen Appell an die Stadt, die Hundesteuer für Tierheime zu nutzen – und kritisierte, dass diese Steuer nicht zweckgebunden ist. Jenny Schlosser gab einen spannenden Einblick in die überregionale Lage und sprach von der gestiegenen Rate von Animal-Hoarding-Fällen und einer steigenden Zahl an Verwahr- und Fundtieren, die mitunter eine lange Zeit in Tierheimen verweilen.

Streuner-Katzen in Not – Leben retten mit der Katzenschutzverordnung

Zum Thema „Streuner-Katzen in Not - Leben retten mit der Katzenschutzverordnung“ sprach unser Vorstandsmitglied Stefanie Bauche als „Kittenmama“ über die aufwändige Aufzucht der Katzenbabys und die schwierige Situation von menschenscheuen Streunerkatzen bei uns im Tierheim. Obwohl sie sehr froh ist, dass in Hamburg nach jahrelangem Kampf ab dem 1. Januar 2026 endlich eine Katzenschutzverordnung gilt, hofft Stefanie Bauche auf Nachbesserungen: Sie kritisiert, dass Streunerkatzen laut Verordnung nun 48 Stunden im trubeligen Tierheim bleiben müssen, bevor sie kastriert und an Futterplätzen wieder freigelassen werden dürfen. Das sei nicht nur für die Tiere traumatisch, sondern stellt auch unser Tierheim vor logistische Probleme, weil immer noch das sich in Sanierung befindliche Alte Katzenhaus als Unterbringungsort fehlt. Auf diesem Podium berichteten außerdem die Julia Pfeifer-Schlichting (Landestierschutzbeauftrage Niedersachsen) und Barbara Felde (Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrechte e.V.) von ihren Erfahrungen mit Katzenschutzverordnungen. Die Verabschiedung und Umsetzung entsprechender Regelungen seien schwierig. Gemeinden würden die Verordnungen zum Teil nicht ernst nehmen - in Hessen hätte eine Kommune schlicht vergessen, die Bevölkerung über die Katzenschutzverordnung zu informieren.

Illegaler Welpenhandel – Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität

Bei der Diskussionsrunde „Illegaler Welpenhandel“ saßen Christina Bertram, (Veterinärmedizinerin in Hamburg-Altona), Sina Hanke (Gründerin von Animal Care e.V.), ein Beamter der Wasserschutzpolizei und Saskia Dauter (Investigations- und Rechercheteam Tierschutzstiftung Vier Pfoten) auf dem Podium. Im Gespräch, das ebenfalls Tanja Busse moderierte, wurden viele Missstände beim Kampf gegen den illegalen Welpenhandel aufgezeigt und auf das Ausmaß der kriminellen Machenschaften von Welpenhändler*innen aufmerksam gemacht. So gingen bei Vier Pfoten im Jahr 2024 ganze 190 Meldungen von Verdachtsfällen ein. Wie Sina Hanke erklärte, landeten, trotz intensiver Ermittlungen, nicht alle Fälle vor Gericht oder erhielten nur ein geringes Strafmaß. Ein Zustand, den auch Saskia Dauter bemängelte. Zusammen mit Christina Bertram wurden diese Umstände unter anderem auf die mangelnden Kapazitäten und Personalmangel an vielen Stellen innerhalb der Behörden zurückgeführt. Sina Hanke berichtete, dass oftmals erst der Hinweis, ein Einsatz zur Aufdeckung illegalen Welpenhandels würde medial begleitet werden, die Polizei auf den Plan rufen würde. Der Beamte der Wasserschutzpolizei sah die Problematiken nicht und betonte, das Anrücken der Polizei würde auch von der Einschätzung der Beamt*innen in der jeweiligen Situation abhängen. Einige seiner Mitarbeitenden hätten zur Bekämpfung des illegalen Welpenhandels bereits an einer Schulung teilgenommen. Zu einem Konsens kamen Polizei und Tierschutzbeauftragte in dieser Diskussion nicht. Dennoch zeigten sich alle Beteiligten interessiert und offen für weitere Gespräche.

Tierversuchsfreie Forschung – Wie der Wandel gelingt
Zur tierversuchsfreien Forschung sprachen Katharina Fegebank (Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin der FHH), Julia Radzwill (Ärzte gegen Tierversuche e.V.), Kathrin Herrmann (Johns Hopkins University Center for ​Alternatives to Animal Testing) und Andreas Schepky (Toxikologe, Beiersdorf AG), darüber, wie ein Wandel gelingen kann. Alle Beteiligten zeigten sich ausgesprochen interessiert und offen gegenüber den Anregungen aus der Runde. Kathrin Hermann betonte, es sei bereits bewiesen, dass viele Tierversuche nicht auf den Menschen übertragbar sind und chemische Forschung in vielen Fällen die gesundheitlich bessere Alternative wäre. Andreas Schepky, Träger des Hamburger Forschungspreises für Alternativen zum Tierversuch, erklärte, weshalb alternative Forschung nicht nur spannender, sondern auch effizienter sei. Ein großes Problem sahen viele Teilnehmende im Mangel an tierversuchsfreien Forschungsangeboten für Studierende an Universitäten. Ein wichtiger Hinweis, den Katharina Fegebank gerne zur Diskussion auf politischer Ebene mitnahm. Julia Radzwill betonte noch einmal, wie wichtig auch die Aufklärungsarbeit über tierversuchsfreie Forschung sei, da viele Menschen keine Informationsmöglichkeiten hätten, um ein Bewusstsein für alternative Forschungsmethoden zu bekommen.

Invasive Arten – Nutria und Waschbär fordern die Stadt heraus

Auf dem Panel „Invasive Arten“ diskutierten Vanessa Haloui (Looki e.V. - Verein zur Tierrettung), Paulina Kuhn (Deutscher Tierschutzbund e.V.), Frederik Landwehr (Biber-Beauftragter, Loki-Schmidt-Stiftung), Christina Patt (Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V.). Zunächst wurde erläutert, was überhaupt invasive Arten sind: Gebietsfremd und schädlich für die heimische Fauna und Flora müssen Tiere sein, die auf der Liste der invasiven Arten landen. In Hamburg zählen dazu unter anderem Nutria und Waschbär aus Nordamerika. Diese Tiere sind in der EU-Liste invasiver Arten aufgeführt, obwohl noch nicht geklärt ist, ob bzw. in welchem Ausmaß diese Tiere in Europa schädlich sind. Zurzeit werden Nutria und Waschbär in Hamburg geschossen oder in Lebendfallen eingefangen. Beides ist kritisch zu sehen: Die Tiere leben in Familienstrukturen, die durch die Schüsse aufgeschreckt werden und fliehen, wenn sie nicht getroffen werden. Da sich die geflohenen Tiere weiter vermehren und neue Familienverbände bilden, ist das Schießen dieser Tiere auch bezüglich einer Bestandsdezimierung eher kontraproduktiv. Weder tierschutzgerecht, noch sinnvoll und rechtlich abgesichert ist das Einfangen in Lebendfallen, weil dieses nicht selektiv ist: Auch heimische Arten wie Jungbiber und Fischotter landen in den Fallen. Zudem ist das Einfangen in Lebendfallen extrem stressig für die Tiere. Die gefangenen Tiere müssen zudem irgendwoanders untergebracht werden und füllen schon jetzt die Wildtierstationen. Die Diskussionsteilnehmenden erklärten, Prävention und Forschung sind nötig: So seien Sterilisationsprojekte eine mögliche Maßnahme, die aber wissenschaftlich betreut werden müsse, was natürlich Geld kostet. Wichtig sei es vor allem, die heimische Fauna zu stärken, denn für ein starkes Öko-System stellen invasive Arten ein geringeres Problem dar.

Soziales Engagement im Tierschutz – Wenn Menschen ihre Tiere nicht mehr versorgen können

In der Gesprächsrunde zum „Sozialen Engagement im Tierschutz“ schilderten Kara Schott (Tiertafel Hamburg e.V.), Jule Thumser (Hunde-Lobby e.V.) und Marion Wessling (Projekt Pfotenbuddies vom Arbeiter-Samariter-Bund Hamburg) wie in Hamburg von Armut betroffene Tierhalter*innen unterstützt werden können. Anlauf- und Ausgabestellen, zum Beispiel für Tierfutter, Medikamente und Zubehör, bieten Tiertafel und Hunde-Lobby. Die „Pfoten-Buddies“ vermitteln Ehrenamtliche, die Tiere von erkrankten Tierhalter*innen versorgen und ggf. ausführen. Ziel der Organisation ist es, dass ein Tier bei seinem eigentlichen Menschen bleiben kann und die nötige Unterstützung gegeben wird, um das Tier angemessen versorgen zu können. Damit diese Arbeit nachhaltig ist, werden zum Beispiel bei der Tiertafel keine Tierhalter*innen angenommen, die erst nach Beginn der Bedürftigkeit ein Tier angeschafft haben. Bei den Pfoten-Buddies wird nach dem Tod eines Tieres geschaut, ob bei dem Menschen das Bedürfnis nach Gesellschaft etwa durch den Kontakt zu anderen Menschen erfüllt werden kann, anstatt ein neues Tier anzuschaffen.

Tierhilfe in Krisengebieten – Im Einsatz bei Krieg und Erdbeben

Auf dem Podium zum Thema „Tierhilfe in Krisengebieten“ berichtete Tierretter und Influencer Malte Zierden zusammen mit seiner Kollegin Babette Terveer (1. Vorsitzende und Gründerin von Notpfote Animal Rescue e.V.) über ihre Einsätze in der Ukraine und in der Türkei. In der Ukraine baut der Verein gerade ein SOS-Tierheim für Tiere, die aufgrund des Krieges Not leiden. Ebenfalls in der Türkei waren Ernst Wieghorst und sein Team vom Tier-Notruf Hamburg im Einsatz. Alle berichteten von den schwierigen Bedingungen bei Einsätzen in Krisengebieten. Sowohl die lokale Infrastruktur als auch die international unterschiedliche Interpretation von Tierschutz müsse immer berücksichtigt werden. So würden vor Anreise zum Beispiel ärztliche Versorgungsmöglichkeiten für Tier und Mensch geklärt – und auch Behörden und Tierschützende gesucht, mit denen man im Krisengebiet zusammenarbeiten könne. Luca Secker vom Deutschen Tierschutzbund kritisierte, dass Tiere im Katastrophenmanagement strukturell nicht mitgedacht bzw. schlicht vergessen würden. Wichtig sei es, die Strukturen des europäischen Tierschutznetzwerkes (z. B. EuroGroupForAnimals) weiter auszubauen, um im Krisenfall optimal helfen zu können. Die Frage, wie man mit der seelischen Belastung nach Einsätzen umgehe, wurde unterschiedlich beantwortet: Von professioneller Gesprächstherapie bis zu Gesprächen mit der Familie reichten die Ansätze, das Erlebte zu verarbeiten. Zu den Grundlagen, die für Kriseneinsätze erforderlich sind, gehöre es „keine Panik, aber Respekt vor dem, was einen erwartet, zu haben“, so Malte Zierden.

Herzlichen Dank an Lisa Maria Otte, Tierschutzreferentin Katrin Meyer und ihr Orga-Team für diesen super organisierten und interessanten Kongresstag. Wir hoffen sehr auf eine Wiederholung!

(Startfoto: Henning Angerer)

Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Vortrag von HTV-Tierheimleitung und Tierärztlichen Leiterin Dr. Urte Inkmann

Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Vortrag von HTV-Vorstandsmitglied Stefanie Bauche

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