Wir konnten für den Dachs leider nichts mehr tun - außer ihn von seinen Leiden zu erlösen.

Ende April wurde ein abgemagerter und bewegungsunfähiger Dachs zu uns in den HTV gebracht. Bei der routinemäßigen Eingangsuntersuchung stellte sich heraus, dass das Tier mit Schrotkugeln durchsät war – durch diese können Langzeitschäden entstanden sein, die den Dachs immer weiter schwächten. Wie konnte es so weit kommen? Wir vermuten, dass es sich bei dem Fall um eine Missachtung des Tierschutz- sowie Bundesjagdgesetzes handelt.

Am 19. April wurde der Dachs am Straßenrand der Glashütter Landstraße in Hamburg-Hummelsbüttel gefunden und von einer besorgten Person gesichert. Der angeschlagene Dachs gelangte über die alarmierte Feuerwehr in unsere Obhut. Tiermedizinische Untersuchungen erbrachten neurologische Befunde, die nahelegten, dass eine Bleivergiftung als Langzeitfolge des Schrotschusses zum Tode geführt hätte. Aufgrund seines schlechten Gesamtzustandes und der infausten Prognose mussten wir den Dachs von seinen Qualen erlösen.

Schrotmunition: Besonderheiten und Vorgaben

Abgesehen von der Tatsache, dass nur bestimmtes Wild mit Schrot beschossen werden darf, setzt die Verwendung von Schrotmunition eine hohe Sorgfaltspflicht der Jägerin oder des Jägers voraus, um zumindest ohne zusätzliches Leiden zu töten. Zum einen müssen je nach Tier unterschiedliche Schrotkugelgrößen verwendet werden, was am Ende unter anderem dafür ausschlaggebend ist, ob das Tier durch den Schuss getötet oder nur verletzt wird. Das liegt daran, dass ein Schrotbeschuss in erster Linie zu einem Schocktod des Tieres führt, der durch die massive Aufprallkraft der Kugeln auf den Körper herbeigeführt wird. Zu kleine Kugeln verletzen das Tier daher lediglich äußerst schmerzhaft, führen aber nicht zum Tod. Zum anderen ist das Einhalten der richtigen Schussweite äußerst wichtig für ein den Vorschriften entsprechendes Jagen: Wird die maximale Schussdistanz nicht eingehalten, verlieren die Schrotkugeln an Aufprallkraft, wodurch das Tier wiederum (schwer) verletzt, aber nicht getötet wird.

Da unser gefundener Dachs unzählige Schrotkugeln im Körper hatte, liegt die Vermutung nahe, dass unsachgemäß gejagt wurde. Bei unserer tierärztlichen Untersuchung waren keine Einschusslöcher sichtbar, was annehmen lässt, dass es sich um eine ältere Schussverletzung handelt und das Tier entsprechend nicht (erfolgreich) nachgesucht wurde. "Nachsuche" bedeutet, dass das angeschossene Tier von der verantwortlichen Jägerin oder dem Jäger unverzüglich (mit oder ohne Jagdhund) nach dem Schuss im Jagdgebiet gesucht werden muss. Entweder war dies nicht möglich oder wurde bewusst unterlassen: So musste der Dachs nach dem Schuss sehr stark und lange leiden. Da Schrotkugeln Blei enthalten, könnten die neurologischen Symptome des Dachses zum Fundzeitpunkt die Langzeitschäden einer Bleivergiftung darstellen.

„Für den Tierschutz ist es enorm wichtig, dass auch Jägerinnen und Jäger die Anforderungen des Tierschutzgesetzes an die Jagd erfüllen. Werden diese Vorgaben missachtet, wie im Falle des Dachses, können die Tiere tage- oder sogar wochenlangen Schmerzen und Leiden ausgesetzt sein, die vermeidbar sind“, so Dr. Urte Inkmann, die leitende Tierärztin des HTV.

Wir schließen uns als HTV der Meinung des Naturschutzbund (NABU) an, dass Dachse von der Liste der legal zur Jagd ausgeschriebenen Beutegreifer genommen werden sollten: „Da die Jagd auf Dachse ausschließlich aus Tradition geschieht [], fordert der NABU, Dachse aus dem Jagdrecht zu streichen. Außerdem lehnt der NABU die Jagd auf Beutegreifer unter dem Vorwand der "Regulation" grundsätzlich ab“, heißt es vom NABU in Nordrhein-Westfalen.