Diese Tierquälerei bleibt weiter erlaubt: Das Kastrieren von männlichen Ferkeln ohne Betäubung. Foto: Agrarfoto

29. November 2018, Update 14. Dezember 2018

Der tierschutzpolitische Skandal ist beschlossen! Die Mehrheit der Abgeordneten von CDU, CSU, SPD und AfD hat Ende November das Verbot der betäubungslosen Kastration von männlichen Ferkeln, das am 1. Januar 2019 in Kraft treten sollte, wieder aufgehoben worden. Ein empörender Kniefall der Regierungsfraktionen vor der Agrarindustrie. Und auch der Bundesrat wird keinen Einspruch gegen das Gesetz einlegen.

Es war 21.41 Uhr am Donnerstagabend, als die Abstimmung im Bundestag begann. Fünf Minuten später war klar: 421 Abgeordnete hatten in namentlicher Abstimmung gegen den Tierschutz und für die Fortsetzung der Ferkelquälerei gestimmt. 142 Abgeordnete lehnten den Gesetzentwurf ab, 87 enthielten sich. Das nun in zweiter und dritter Lesung beschlossene Gesetz dokumentiert das totale Versagen von Politik und Industrie in Sachen Tierschutz. Fünf Jahre hatten alle Beteiligten Zeit, sich auf das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration einzustellen. Doch die Agrarindustrie ignorierte die Frist einfach. Negative Konsequenzen hat dies für die Industrie aber nicht. Im Gegenteil: Sie darf nun zwei Jahre so weitermachen, wie bisher- tierquälerisch. Für die bemitleidenswerten Ferkel bedeutet die Verabschiedung des Gesetzes, dass sie weitere 24 Monate einer hoch schmerzhaften und traumatisierenden Tortur ausgesetzt werden. Und dies alles, obwohl das Staatsziel Tierschutz in der Verfassung verankert ist – Papier ist eben geduldig, wenn es um Profitinteressen geht.

Auch die Hamburger Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD haben sich bei der Skandalabstimmung gegen den Tierschutz gestellt. Das war leider absehbar. Denn der Hamburger Tierschutzverein hatte schon im Oktober alle Abgeordneten angeschrieben und aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die betäubungslose Ferkel-Kastration ab 1. Januar verboten bleibt. Die SPD begründete wortreich, warum sie die Tiere dem schmerzhaften Eingriff weiter aussetzen will. Von den CDU-Abgeordneten haben wir trotz nochmaliger Nachfrage keine Antwort erhalten. Allerdings war klar, wie die Christdemokraten abstimmen werden. War es doch die Union, die sich schützend an die Seite der Ferkel-Quäler stellte – vorneweg CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Der Hamburger Tierschutzverein wird dieses Abstimmungsverhalten der Hamburger Abgeordneten nicht vergessen und vor der nächsten Wahl deutlich darauf hinweisen, wer die Ferkel so schändlich verraten hat – das sind wir den Tieren schuldig.

Dabei gibt es mit der Ebermast, der Immunokastration und der Betäubung mit Isofluran drei Alternativverfahren zur betäubungslosen Kastration. Doch die kosten Geld. So sind es rein wirtschaftliche Interessen, warum Tiernutzer und ihre Lobbyisten die Alternativen all die Jahre ignoriert haben.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. Dezember 2018 beschlossen, keinen Einspruch gegen das Gesetz zur Fristverlängerung bei der betäubungslosen Ferkelkastration um zwei Jahre einzulegen. Die Empfehlung des Agrarausschusses, den Vermittlungsausschuss anzurufen, fand keine Mehrheit. Damit ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen.
 
„Nachdem der Bundesrat eine Fristverlängerung bei der betäubungslosen Ferkelkastration noch am 21. September abgelehnt hatte, stimmte er aber heute trotzdem für eine Fristverlängerung. An der Sachlage hat sich seitdem jedoch nichts geändert“, kommentiet Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Daher ist davon auszugehen, dass im Bundesrat ein ähnlich abgekartetes Spiel gespielt wurde wie im Bundestag: die Verbände der Tiernutzer haben das Schreckensszenario einer zusammenbrechenden Fleischbranche in Deutschland skizziert, die Politik ist ihrem Appell devot gefolgt. Dabei waren es die Tiernutzer und ihre Verbände, die fünf Jahre Zeit hatten, sich auf ein Verbot einzustellen. Stattdessen haben sie darauf vertraut, dass der Gesetzgeber einmal mehr einknicken und die Frist verlängern wird. Das hat einmal mehr funktioniert. Angesichts der Tatsache, dass die Politik in den vergangenen Jahren wiederholt Fristen auf den letzten Drücker zu Gunsten der Tiernutzer verlängert hat, stellt sich die Frage, wie unabhängig die Fachpolitiker im Agrarsektor noch agieren. Diese Debatte wird zu führen sein.“