Pressemitteilung vom 11.05.2023

Der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV) bittet eindringlich darum, hilfebedürftig wirkende Jungtiere nicht voreilig einzusammeln. Wer ein Jungtier in vermeintlicher Notlage entdeckt, sollte zunächst ruhig und aus der Entfernung abwarten, ob sich die Elterntiere doch noch zeigen. Alljährlich wird das Tierheim des HTV mit gefundenen Jungtieren regelrecht überflutet – der überwiegende Teil davon benötigt keine menschliche Hilfe, sondern ist draußen weit besser aufgehoben.

Leider fehlt vielen Hamburgerinnen und Hamburgern das nötige Wissen um die Entwicklungsstadien und die Aufzucht der heimischen Wildtiere – sie „retten“ Jungtiere oftmals vorschnell und riskieren damit das Leben der vermeintlichen Tierwaisen. Die 1. Vorsitzende des HTV Janet Bernhardt zeigt sich besorgt: „Jeden Frühsommer erreicht die Wildtieraufzucht im Tierheim ihr Kapazitätsmaximum, wodurch unsere Tierpflegerinnen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommen und im nächsten Schritt das Überleben der Jungtiere gefährdet sein könnte.“ Als letzter Ausweg stehen Aufnahmestopps an – davon sind dann aber leider auch tatsächlich verwaiste Jungtiere betroffen, die professionelle Hilfe bräuchten, um zu überleben.

Der HTV versucht seit Jahren zu sensibilisieren, Jungtiere nicht vorschnell einzusammeln und im Tierheim Süderstraße oder ähnlichen Einrichtungen abzugeben. Im Zweifel sollten Wildtiere in der Natur verbleiben, wo ihre Überlebenschancen größer sind, denn die künstliche Aufzucht von Menschenhand ist der natürlichen nicht gleichzusetzen. Zwar übergibt der HTV so viele Jungtiere wie möglich in sachkundige Pflegestellen, doch auch dieses Potenzial ist schnell erschöpft. „Ist ein Tier jedoch offensichtlich verletzt, braucht es natürlich schnellstmöglich Hilfe und kann auch zu uns gebracht werden, es sollte jedoch vor einer Rettungsaktion immer über unsere Notrufnummer 040-22 22 77 angefragt werden, ob eine Aufnahme und Versorgung möglich sind“, so die HTV-Vorsitzende. Es gibt jedoch Ausnahmen: „Um Wasservögel kümmert sich das behördliche Schwanenwesen, Wildratten und -mäuse und einige andere Wildtiere dürfen wir aus seuchenrechtlichen Gründen nicht mehr in unserem Tierheim aufnehmen“, erklärt Dr. Urte Inkmann, die Tierheimleitung des HTV. Wurde das Tier außerhalb Hamburgs gefunden, muss man sich an die dortigen Behörden oder den örtlichen Tierschutz wenden.

Fast flügge Kohlmeisen (links und im Hintergrund) und Blaumeisen werden gefüttert.

Wann braucht ein Jungtier Hilfe?

Der Nachwuchs von Wildtieren wird oft irrtümlich als hilfebedürftig eingeschätzt, wenn er erste Flug-, Kletter- oder Laufversuche unternimmt. Dabei lassen die Eltern ihre Jungen nicht aus den Augen und versorgen sie auch weiterhin mit Futter – wenn der Mensch sie nicht stört. Tauchen die Eltern auf, sollte man sich rasch entfernen und aus der Ferne kontrollieren, ob das Jungtier versorgt wird – es kann bis zu mehreren Stunden dauern, bis sich die Elterntiere zeigen. In der Regel finden das Junge und die Mutter wieder zusammen. „Wir schätzen, dass mehr als die Hälfte der zu uns gebrachten Jungtiere keine menschliche Hilfe benötigt, sondern von den Elterntieren weiter versorgt worden wäre“, sagt Janet Bernhardt.

Schon befiederte Jungvögel, die noch nicht komplett flugfähig sind und herumhüpfen, kann man vorsichtig an einen sicheren Ort (z. B. ein abseits von Straßen gelegenes Gebüsch) setzen. Der Jungvogel muss aber in direkter Nähe zum Fundort bleiben. „Vögel können in der Regel so schlecht riechen, dass sie den menschlichen Geruch am Nachwuchs nicht wahrnehmen, wenn er berührt wurde, und ihn daher auch nicht verstoßen“, erklärt Janet Bernhardt: „Wenn die Küken allerdings noch nackt sind, muss unbedingt das Nest gefunden werden, in welches sie behutsam zurückgesetzt werden müssen – sofern es sich vom Boden aus erreichen lässt.“
Auch bei den Säugetieren, die sich dem städtischen Lebensraum angepasst haben, ist der menschliche Geruch für die Elterntiere kein Grund sich von ihrem Nachwuchs abzuwenden. „Rehkitze oder Hasen werden besonders oft voreilig eingesammelt, da sie von ihren Eltern ohne eine schützende Unterkunft abgelegt werden. Sie können sogar noch 48 Stunden nach dem Auffinden an den Fundort zurückgebracht werden“, erklärt Janet Bernhardt.

Tiere in Not brauchen professionelle Hilfe

Ist ein Jungtier eindeutig verwaist oder in einer medizinischen Notlage, ist rasche Hilfe natürlich nötig. Keinesfalls sollten jedoch Nichtkundige ohne professionelle Hilfe versuchen, ein Tierkind aufzupäppeln oder ein krankes oder verletztes Tier zu pflegen. Im Tierheim Süderstraße kümmert sich Fachpersonal rund um die Uhr um verletzte und verwaiste Wildtiere. Die Mitarbeitenden ziehen die Tiere fachkundig auf und sorgen für eine erfolgreiche Auswilderung – oft in Kooperation mit Wildtierstationen. Bei ihrer Arbeit werden die HTV-Mitarbeitenden von Ehrenamtlichen unterstützt. Zudem wird in der Hochsaison zusätzliches Personal für die Wildtieraufzucht bereitgestellt.

Im Tierheim Süderstraße und in den Pflegestellen des HTV werden aktuell bereits zahlreiche junge Eichhörnchen, Feldhasen, Wildkaninchen, Stockenten, Tauben und verschiedene Singvögel liebevoll und versiert großgezogen. Für die Aufzucht, Pflege und medizinische Versorgung von Wildtieren erhält der Verein kein Geld aus öffentlicher Hand und ist daher dringend auf Spenden angewiesen.

Spendenkonto bei der Hamburger Sparkasse
IBAN: DE93 2005 0550 1111 2161 96
BIC: HASPDEHHXXX
Betreff: Wildtierrettung

Dieses Küken ist eine Stadttaube und damit ein verwildertes Haustier.
Ein verwaister Feldhase wird mit spezieller Ersatzmilch versorgt.