Tierchirurg Dr. Michael Koch (vorne) führte die HTV-Tierärzte Dr. Hartmut Müller, Dr. Oliver Schleif und Sonja Schirmer durch drei komplexe Eingriffe.

22. März 2018

Vergangene Woche fand zum ersten Mal ein Operationstraining in unserem Tierheim statt, bei dem Tierchirurg Dr. Michael Koch den HTV-Tierärzten komplexe Operationstechniken näherbrachte. Drei schwierige Operationen an zwei Katzen und einem Hund konnten erfolgreich durchgeführt werden.

Vor etwas mehr als drei Wochen hatten wir Sie darum gebeten, die geplante OP-Trainingsmaßnahme mit Spenden zu unterstützen. Dank Ihrer Hilfe konnte der OP-Tag am 13. März umgesetzt werden. Um zehn Uhr trafen sich alle Beteiligten im Operationsraum unseres Tierheims: Tierchirurg Dr. Michael Koch, der die Schulung leitete, vermittelte sein Wissen an die HTV-Tierärzte Sonja Schirmer, Dr. Hartmut Müller und Dr. Oliver Schleif. Unterstützt wurde das Team durch die Tierpflegerinnen José van Bergen, Jacqueline Laudy und Stefanie Bruske. Außerdem wurde ein Teil des Tages von der Presse begleitet.

Der erste Patient war ein kleiner Yorkshire Terrier namens Felix. Der arme Hund verlor Kot – der Enddarm war ausgesackt und es lag der Verdacht auf eine Perinealhernie (Dammbruch) vor. Röntgenaufnahmen offenbarten jedoch das eigentliche Problem: Der Hernienverdacht bestätigte sich nicht, sondern es zeigte sich, dass durch einen Schwanzabriss ein neurologischer Schaden auf Höhe des Enddarms entstanden war, weswegen Felix seinen Kotabgang kaum mehr kontrollieren konnte. Es gab zwei Möglichkeiten: eine „hohe“ Schwanzamputation direkt im Bruch, die viele Risiken mit sich bringen würde, oder eine „tiefere“ Schwanzamputation an der Stelle, wo der Schwanz gefühllos ist. Die Ärzte entschieden sich gemeinsam für die zweite Variante, die einen Routineeingriff darstellt und um ein paar Tage verschoben wurde, da an diesem Tag komplexe Operationstechniken vermittelt werden sollten.

Als zweites war die halbwilde, getigerte Katze Pepper an der Reihe: Sie hatte einen schon älteren Oberschenkelhalsbruch, der ihr starke Schmerzen verursachte. Das operative Entfernen des betroffenen Hüftkopfes würde ihre Schmerzen beseitigen. Da bei Katzen die Muskulatur stark ausgeprägt ist, kann nach einem solchen Eingriff der Oberschenkelknochen durch reine Muskelkraft gehalten und normal bewegt werden. Dr. Koch führte Sonja Schirmer und die anderen Tierärzte durch die Operation, von Tipps zum ersten Schnitt über Anleitung beim Freilegen des Bruchs durch die Oberschenkelmuskulatur hindurch bis hin zum eigentlichen Entfernen des Hüftkopfes. Die Operation verlief problemlos.

Der dritte Patient war der schwierigste Fall des Tages: Ein ebenfalls halbwilder, schwarzer Kater hatte ein gebrochenes Becken – vermutlich durch einen Unfall, der schon mindestens zwei Wochen zurückliegen musste. Die Röntgenaufnahme zeigte das verheerende Ausmaß der Fraktur: Die einzelnen Teile des Beckenknochens hatten sich sehr weit ins Körperinnere geneigt und blockierten den Darm des Katers. Es muss für das Tier sehr schwierig gewesen sein, überhaupt noch Kot abzusetzen. Eine Untersuchung über den After des Katers bestätigte die Befürchtung der Ärzte, dass der Bruch sich kaum mehr bewegen ließ und schon sehr versteift war – schlechte Voraussetzungen für die geplante Operation, bei der die beiden Knochenstücke wieder nach außen gerichtet werden sollten. Der Eingriff begann und forderte den Tierärzten einiges ab. Die beiden Hälften des gebrochenen Knochens waren sehr schwer zu greifen und mussten gegen starken Widerstand nach außen gezogen werden, wobei auch die Muskulatur des Katers zunächst gedehnt werden musste. Als sich der Knochen endlich auf der richtigen Höhe befand, zeigte Dr. Koch dem Team, wie man eine Osteosyntheseplatte anbringt. Diese Metallplatte fügt die beiden gebrochenen Hälften wieder zusammen und wird mit vier Schrauben im Knochen befestigt. Als nach rund zwei Stunden dieser schwierige Eingriff gelungen war, bestätigte auch eine erneute Röntgenaufnahme den Erfolg: Die Seite des Beckens mit der Fraktur befand sich nun nahezu auf ihrer natürlichen Position! Dies wird für den Kater eine große Entlastung bedeuten.

Nach diesen konzentrationsintensiven Stunden brauchten alle eine Pause. Das Team kam im Meeting-Raum des HTV bei veganer Pizza zusammen und tauschte sich aus. Dr. Koch erzählte, dass dies seine erste Schulung in einem Tierheim sei und dass es ihn positiv überrascht habe, wie gut unser OP ausgestattet sei. Er gab noch einige wertvolle Tipps, wie in Zukunft noch besser gearbeitet werden kann und welche Anschaffungen sich lohnen würden – dann ging es auch schon zurück in den OP zur letzten Operation des Tages.

Die rumänische Hündin Hollie, die im Februar 2018 in unser Tierheim gekommen war, hatte schon lange Probleme mit ihrem linken Vorderbein und trat überhaupt nicht mehr damit auf. Es hatte sich schließlich herausgestellt, dass ihr Ellenbogengelenk stark beschädigt war und sie bereits eine Ankylose (Gelenksteifheit) bekommen hatte. Die einzige Möglichkeit, die blieb, war die Amputation ihres Beines. Auch bei dieser dritten Operation leitete Dr. Koch Sonja Schirmer sicher durch den gesamten Verlauf. Nach dem Aufschneiden der Haut muss darauf geachtet werden, dass man vier große Nerven, die durch das Bein verlaufen, durchtrennt – nicht ohne sie vorher jeweils mithilfe einer Injektion betäubt zu haben. Größere Blutgefäße müssen mit einem Faden abgebunden werden, bevor man sie zerschneidet. Schließlich wird mit einem kleinen Skalpell die Knochenhaut vom Knochen entfernt und dieser wird dann mit einer kleinen Säge durchgeschnitten. Auch dieser Eingriff verlief gut und problemlos.

Gegen 16:30 Uhr begannen alle mit den Aufräumarbeiten und das HTV-Team bedankte sich bei Dr. Koch für das Training und die wertvollen Tipps. Ziel dieser intensiven Schulungsmaßnahme ist es, dass die HTV-Tierärzte in Zukunft selbst solche komplexen Operationen durchführen können. Der OP-Tag kostete 1.500 Euro – eine sehr wirtschaftliche Maßnahme, wenn man bedenkt, dass die Auslagerung einer einzigen komplexen Operation an eine Spezialklinik den Hamburger Tierschutzverein jedes Mal mindestens 500 Euro kostet. Diese Kosten können wir in Zukunft einsparen, wenn wir selbst die Eingriffe durchführen.

Wir hoffen, dass diese Form der Weiterbildung in regelmäßigen Abständen stattfinden kann, da Tag für Tag unsere Schützlinge davon profitieren, wenn sie zeitnah und fachkundig von unseren Tierärzten behandelt werden können – auch in sehr schwierigen Fällen. Herzlichen Dank an Dr. Michael Koch und an alle, die mit ihrer Spende den OP-Tag ermöglicht haben!

Im Hinblick auf ein weiteres OP-Training bitten wir Sie, mit dem Verwendungszweck „OP-Kosten“ über unser Online-Spendenformular oder über unser Spendenkonto bei der Hamburger Sparkasse zu spenden:

IBAN: DE93 2005 0550 1111 2161 96
BIC: HASPDEHHXXX

Jeder Beitrag zählt – vielen Dank für Ihre Unterstützung!

Hier geht es zur Bildergalerie, in der Sie das OP-Training und die einzelnen Operationen Schritt für Schritt nachverfolgen können.

Nach gründlicher Untersuchung wurde bei Yorkshire Terrier Felix die eigentliche Ursache für seine Kotinkontinenz gefunden.
Der kleine Hund leidet an einem Schwanzabbruch, der die Nerven in der Darmregion beschädigt hat.
Bei Tigerkatze Pepper soll der Hüftkopf operativ entfernt werden.
Dr. Koch zeigt auf dem Röntgenbild, an welcher Stelle der Eingriff gerade stattfindet.
Bei dem halbwilden, schwarzen Kater ist von Anfang an klar, dass die Operation seines Beckenbruchs schwierig werden wird.
Nach rund zwei Stunden ist es geschafft: Mit einer durch vier Schrauben befestigten Metallplatte konnten die Ärzte die beiden auseinandergebrochenen Knochenstücke wieder zusammenfügen.
Letzte Patientin des Tages ist Hündin Hollie, die hier auf ihren Eingriff vorbereitet wird.
Die Amputation von Hollies linkem Vorderbein ist geglückt.